Was kommt auf uns zu? Gas- und Strompreise, die weiter durch die Decke gehen? Haushalte, die sich die Heizung nicht mehr leisten können? Keiner weiß es genau. Mit Ausnahme von Wladimir Putin. Er dürfte wissen, ob er den Gashahn abdrehen wird. Und er weiß, welchen sozialen Sprengstoff er auf diese Weise in der EU platziert. Ohne Energie brechen Europas Industrie und Wohlstand in sich zusammen.  

Klingt übertrieben, überzogen, weil nicht vorstellbar? Es ist leider real. Der freiheitliche Präsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz wird deshalb sein gestriges Versprechen, keinen „Brutalo-Wahlkampf“ zu führen, problemlos einhalten können. „Brutalo“ ist die Situation aufgrund der Teuerungen ohnehin bereits in knapp zwei Millionen österreichischen Haushalten.

Der Volksanwalt wird somit jene Fragen stellen, die wenige offen thematisieren. Warum die EU bei der Vorbereitung der Sanktionen offensichtlich nicht das Worst-Case-Szenario bedachte, dass Putin - mit China, Indien und anderen Staaten als Unterstützer im Rücken - den Spieß umdrehen, den Gashahn weitgehend abdrehen und damit auch Millionen europäischer Mittelstands-Haushalte in die Armut treiben könnte. Selbst wenn der deutsche Wirtschaftsminister in unserer heutigen Ausgabe auf Möglichkeiten verweist, „die volle Wucht der Preise abfedern zu können“. Wie lange kann eine solche Wucht abgefangen werden?

Der Slogan „Holen wir uns unser Österreich zurück“ wird im Wahlkampf wohl erweitert werden zu „Holen wir uns unser Europa zurück“. Der Jurist Rosenkranz wird fragen, wem gegenüber die EU und Österreich als erstes verpflichtet ist. Seiner Bevölkerung oder einem angegriffenen Land? Da kann er dann den Präsidenten der Wirtschaftskammer zitieren, der flapsig meinte, die EU habe bei den Sanktionen nur eine Gehirnhälfte benützt. Zu Recht - die zweite Hälfte hätte das Worst-Case-Szenario mitbedacht und vorausgesehen, dass die Sanktionen kein Schuss ins russische, sondern ins europäische Knie sein könnten. Aber wir wissen auch: Im Nachhinein ist es einfach, es immer schon gewusst zu haben.

Welche Chancen Walter Rosenkranz hat? Wenn im Herbst eintritt, was manche befürchten, wird vieles möglich. Und Rosenkranz wird fragen, was er gestern noch umschrieben hat und viele Leser bereits äußern. Ob es nicht auch eine Anmaßung ist, wenn finanziell abgesicherte Politiker in Brüssel und Europas Hauptstädten Entscheidungen treffen, deren Folgen Millionen Rentner und armutsgefährdete Menschen am brutalsten trifft.

Keine Frage: Putin wird in diesem „Nicht Brutalo-Wahlkampf“ Dauergast und Wahlhelfer sein – wie auch in vielen weiteren Wahlkämpfen!

Einen Tag im Schatten wünscht Ihnen
Carina Kerschbaumer