Erster Mai. Das Land feiert seine Traditionen, endlich wieder live und in Farbe.
Auf den Dorfplätzen übte man schon das Baumaufstellen. Im niederösterreichischen Wiener Neustadt mit recht bescheidenem Erfolg: der Stamm geriet prompt in gefährliche Schieflage. Die Feuerwehr musste zur Rettung eilen und der Sache auf den Grund gehen – offenbar lag der Schotter zum Stabilisieren des Schachtes noch unbenutzt in vollen Scheibtruhen im Rathaus. . .
Mit dem Fruchtbarkeitssymbol, das bisweilen an einen Christbaum im Burnout erinnert, können Städter ja weniger anfangen „Welche Frucht wächst auf dem Maibaum?“, wollte der Ö3-Mikromann wissen. „Kirschen!“, „Äpfel“ und „Diese pelzigen, grauen Dinger, die man aber nicht essen kann“, mutmaßte vage das junge Wien.
In der Bundeshauptstadt wird sich heute die rote Parteiprominenz auf der Tribüne vor dem Rathaus versammeln und nach zweijährigem Aufmarschverzicht endlich wieder den Genossinnen und Genossen zuwinken. In Graz hat die SPÖ ihr Monopol auf den Hauptplatz längst verloren – die Kommunisten demonstrieren jetzt als Bürgermeisterpartei und wollen geeint zum Volkshaus ziehen.
Dass der 1. Mai auf den Sonntag fällt und so einen Feiertag „einspart“, ist ausnahmsweise kein Thema, denn die Teuerungsdebatte dominiert den Tag der Arbeit. Der Preis-Tsunami rollt unaufhörlich weiter – selbst die 7,2 Prozent Rekordinflation im April dürften bis zum Sommer nochmals überboten werden.
Auch der Streit über die abfedernden Maßnahmen wird an Schärfe zunehmen. Die Regierung verweist stolz darauf, bereits zwei Entlastungspakete über vier Milliarden Euro auf den Weg gebracht zu haben. Die Opposition konstatiert hingegen wirkungslose Alibi-Aktionen und fordert spürbarere Lösungen wie etwa ein Streichen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel.
Wie holprig hochtrabende Beschlüsse in die Praxis umgesetzt werden, zeigt momentan jedenfalls das Schicksal des Energiekostenausgleichs.
Angekündigt wurde dieser bereits im Jänner. Nach dem ersten Jubel stellte sich heraus, dass die Stromfirmen aus Datenschutzgründen die 150 Euro Ausgleichszahlung gar nicht selbständig von der Jahresrechnung abziehen dürfen. Es musste eine umständliche Ersatzlösung gebastelt werden: Jeder Haushalt soll nun den Gutschein per Post zugeschickt bekommen. Dieser muss sodann ausgefülltt retourniert oder über eine eigens dafür eingerichtete Online-Plattform eingelöst werden. Das Finanzministerium überprüft, ob der Haushalt anspruchsberechtigt ist oder die Einkommensgrenze übersteigt. Wenn die Berechtigung gegeben ist, wird der Gutschein an den Stromlieferanten übermittelt, der ihn bei der nächsten Jahresabrechnung einlösen sollte.
Eigentlich hätte nun der Osterhase den mehr als vier Millionen Haushalten besagten 150 Euro-Gutschein einlegen sollen. Doch stattdessen steckten die Energieversorger die höheren Rechnungen in die Briefkästen. Auf die milde Gabe des Staates hieß es weiterhin: "Bitte warten!".
Um die Blamage nicht eingestehen zu müssen, gab der Finanzminister am letzten April-Tag bekannt, dass ab sofort die Gutscheine zur Post gebracht und alle Haushalte Ende Mai im Besitz der Verständigung sein werden. Bis sie in den Genuss des Geldes kommen, wird es aber noch dauern - denn was als schnelle Hilfe gedacht war, versandet im bürokratischen Getriebe. Mit diesem Strom-Bonus dürfte die Regierung am Ende mehr Ärger als Dank ernten.
Einen schönen Start in den Mai wünscht