Die Erfindung ist in ihrer Simplizität schon fast wieder beeindruckend. Profilbild in einem Kreis, ein frei zu wählender Benutzername mit dem Ding davor, das auf Deutsch den kuriosen Namen Klammeraffe trägt, dazu die Möglichkeit, Nachrichten mit einer maximalen Länge von 140 Zeichen zu publizieren. Genau heute vor 16 Jahren, am 21. März 2006, schrieb der Softwareentwickler Jack Dorsey „Just setting up my twttr“: der erste Tweet, der den Startschuss für die Mikroblogging-Plattform Twitter setzte. Ein Medium, das Kommunikationsverhalten verändert hat und auch durch mächtige Nutzer mächtig geworden ist. Eines, das Menschen nutzen, um politische Diskussionen oder ideologische Grabenkämpfe anzuzetteln, moralisierende Plädoyers zu halten, sachliches Expertenwissen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder ihr persönliches Markenprofil zu schärfen. Wie „googlen“ ist „twittern“ längst Teil unseres alltäglichen Sprachgebrauches. Die Zeichenbegrenzung für Tweets wurde vor einigen Jahren von 140 auf 280 angehoben. Innovationen wie Fleets, die, wie Instagram- oder Snapchat-Stories, nach 24 Stunden wieder verschwinden, setzten sich bei Twitter nicht durch und wurden nach einigen Monaten wieder eingestellt.
Ein Heavy User auf Twitter war jahrelang Donald Trump (@realDonaldTrump), vor seiner Zeit als US-Präsident und während seiner Präsidentschaft. Trump nutzte Twitter als primäres Werkzeug politischer Kommunikation und Agitation - Formalismen und staatsmännischen Usancen waren da sekundär, er wandte sich via Twitter lieber direkt an seine Adoranten und die Weltöffentlichkeit. Nach den Ausschreitungen rund um das US-Kapitol im Jänner 2021 wurde Trump von Twitter aufgrund des Risikos „einer weiteren Anstiftung zur Gewalt“ dann „dauerhaft gesperrt“. Das von Trump initiierte und kürzlich gelaunchte Soziale Netzwerk „Truth Social“ kommt indes nicht so wirklich vom Fleck. Auch die russische Präsidentschaftskanzlei bedient einen Twitter-Account, auf dem die 1,7 Millionen Follower dieser Tage primär erfahren, mit wem sich Wladimir Putin in Telefonkonferenzen (Naftali Bennett, Xi Jinping, Emmanuel Macron und zahlreiche weitere EU-Regierungschefs) zum Thema „Situation in der Ukraine“ befindet.
Interessanter ist wohl ohnehin die Person Jack Dorsey. Seit November 2021 ist der 45-Jährige nicht mehr Twitter-Chef, war aber auch zwischendurch schon mal weg und gründete 2009 den mobilen Bezahldienst Square, der mittlerweile den Namen Block trägt. Dorsey ist einer der auffälligsten und extravagantesten Figuren der US-Tech-Szene – die Antithese zu konventionellen Manager-Klischees. Er trägt einen langen Rauschebart und Batikshirts, ist von Kryptowährungen überzeugt, fastet streng und nimmt nur eine Mahlzeit täglich zu sich, meditiert bis zu zwei Stunden pro Tag, geht kilometerweit zu Fuß ins Büro oder arbeitet im Homeoffice unter einer Infrarotlampe, die Stress reduzieren soll. Seinen ersten Tweet verkaufte er vor einem Jahr um 2,9 Millionen Dollar und spendete den Erlös. Dorseys Vermögen wird aktuell auf 12 Milliarden Dollar geschätzt (Square/Block hat übrigens weit mehr dazu beigetragen als Twitter). Er wäre also auch ein Fall für die Initiative #taxmenow – ein Verein mit vielen Superreichen, die alle (mehr) Steuern zahlen möchten. Eine der Proponentinnen ist Millionenerbin Marlene Engelhorn. Wie die kluge und reflektierte 29-Jährige ihr Engagement für eine gerechtere Vermögensverteilung auf dieser Welt begründet, erzählt sie im „fair & female“-Podcast meiner Kollegin Barbara Haas. Eine absolute Hörempfehlung – gleich hier oder auf allen gängigen Podcast-Portalen.
Der Frühling ist endlich da; es kann nur aufwärts gehen, meint