Versammelte Verschworene!

Er war ein großer Europäer, ein gebildeter, bürgerlicher, angenehmer Mensch voller Witz und Selbstironie. Unvergessen sein Ausspruch in den Siebzigerjahren, als er den damaligen ÖVP-Chef Josef Taus und sich selbst als "zwei Knackwürste mit Brillen" charakterisierte. Diese Qualität sucht man heute vergeblich. Obwohl an Knackwürsten mit Sehhilfe kein Mangel herrscht. Aber eines war der am Sonntag verstorbene Erhard Busek nicht: ein politischer Siegertyp. Wacker schlug er sich eher dort, wo man Erfolg jenseits der Zahlen sucht. Er war der "bunte Vogel" der Wiener Stadtpolitik und hat diese vor 40 Jahren so intelligent aufgemischt, dass die erschrockene, machtverkrustete SPÖ plötzlich ebenfalls mit einem unkonventionellen Querdenker aufwarten musste, nämlich mit dem schon damals legendären Helmut Zilk. Ja, das waren Zeiten!

Aber zurück zu den Zahlen: Einerseits hat die Busek-ÖVP immerhin bei der Wiener Gemeinderatswahl 1983 fast 35 Prozent erzielt, obwohl erstmals die Grünen kandidierten. Andererseits war das Strohfeuer dann rasch vorbei. Busek war ja in den "Obmanndebattenjahren" der ÖVP 1994/95 kurzzeitig Bundesparteichef. Ein Tal der Tränen! Nach ihm zeigte Wolfgang Schüssel ziemlich robust, wie es geht. In der FPÖ stieg kometenhaft Jörg Haider auf. Vielleicht war Busek tatsächlich der Letzte des alten Schlags, mehr Substanz als Effekt, mehr Gedanken als Plakate, lieber Werte als Umfragewerte. Dazu als Hauptmerkmal die liebenswürdige Abwesenheit von Raffgier und politisch-taktischer Gerissenheit.

Wie kommt es eigentlich, dass diese stillen Charakterköpfe, diese Anti-Rabauken, in der Politik häufig scheitern? Was sagt das über uns, das wankelmütige Volk? Lieben wir wirklich Brot und Spiele, aber die Spiele noch mehr als das Brot? In den letzten Jahren habe ich oft mit Busek gesprochen, beim Forum Alpbach morgens im Hotelfrühstücksraum. Ein Grandseigneur, der immer wusste, was in Brüssel lief und welcher osteuropäische Schriftsteller gerade Aufmerksamkeit verdient. Kein Makelloser, denn zu oft teilte er Rat-Schläge aus oder warf sie als Prügel zwischen die Füße der Nachfolger. Eher ein unbeugsamer Unvollendeter. Ein rastloser Geist, der sich in unserem schönen Land stets beengt fühlte, nur eben in diesem engen, weiten Tal von Alpbach nicht.