Die Bilder sprachen Bände: Grelles Discolicht über stecknadelgroßen Köpfen, dicht genug beieinander, um Tische und Tanzfläche vollständig zu überdecken. Meterlange Schlangen vor den Vergnügungstempeln, mehrere Ohnmachten schon beim stundenlangen Anstehen und nicht erst nach dem Mitternachtsexzess. Tausende Jugendliche und junge Erwachsene feierten an diesem Wochenende das Leben, die Freiheit, den Wegfall von Masken und Abstandsregeln.

„Recht so! Die Jugend hat in den letzten zwei Jahren auf so viel verzichtet!“, „Hauts rein und pfeifts auf die paar Mimimimis, die euch das madig machen wollen!“ stand in unserem Forum zur Wiedereröffnung der Nachtgastro, aber ebenso „Was man hier sieht, ist Durchseuchung“, „Bedauernswert alle vorsichtigen Eltern und Großeltern, die zuhause wieder angesteckt werden.“

Auch Thomas Czypionka, Sprecher für Gesundheit des Instituts für Höhere Studien Wien (IHS), kann der ungebremsten Partywelle nichts abgewinnen und klagte gestern via Twitter: „Das Ansteckungsrisiko lag selten höher. Aus der Gefahr einer Spitzenüberlastung in den Spitälern ist die Gefahr einer Dauerüberlastung geworden. Seit Monaten muss das System mit 2000 und mehr zusätzlichen Patienten umgehen.“

Tatsächlich wird immer offensichtlicher, dass die Krankenanstalten am Limit sind. Allein in den steirischen Spitälern fehlen 250 Pflegerinnen und 150 Ärztinnen, rund 500 Mitarbeiter sind wegen einer Covid-19-Erkrankung nicht im Dienst. Die Folgen? Überstrapaziertes Personal, verschobene Operationen und dutzendfache Bettensperren, zuletzt selbst im hochsensiblen Kinderbereich.  

Der Pflegenotstand, seit Jahrzehnten Dauerbrenner ohne politischen Lösungswillen, treibt auch die vorhandenen Kräfte über die Grenze des Zumutbaren. „Ich hatte in den letzten Monaten mehrere Burnouts von unter 30-Jährigen in meiner Abteilung“, erzählte meine Freundin Katrina, während sie die Koffer packte, um als „Travel Nurse“ in ihrer Corona-geplagten Heimat Michigan auszuhelfen. Dort verdient die junge Amerikanerin nun das Dreifache des österreichischen Ordensspitalslohns, Versicherung und Benefits inklusive. Bessere Bezahlung könnte auch hierzulande die Pflege attraktivieren, „aber 32 Stunden bei vollem Gehalt hätten wohl mehr Erfolg“, glaubt die Freundin in der Ferne. Nur so bliebe ausreichend Zeit, sich von den Strapazen des Berufs mental und körperlich wieder zu erholen.   

Keine Regeneration fand offenbar auch Österreichs oberster Vertreter der Branche, Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein. Nach einem knappen Jahr voller Anfeindungen und Drohungen sei er zur Einsicht gelang „nicht mehr 100 Prozent leisten zu können.“ Während das Gesundheitspersonal seit Pandemiebeginn unter Dauerfeuer steht, kommt an dessen Spitze wie selbstverständlich der nächste Oberbefehlshaber zum Einsatz.

Und im Schatten des großen Krieges schüttet die Regierung kurz darauf ihr Millionen-Füllhorn über dem Bundesheer aus. Aber vielleicht sollten wir, anstelle den Fokus wieder vollends auf den nächsten Krisenherd zu richten, nebenbei endlich einmal die Aufrüstung der geschundenen Pflege angehen?      

Einen schönen Sonntag wünscht