Es sah aus wie ein gewöhnlicher Stau, Rückverkehr nach einem verlängerten Wochenende. Was die Fernsehbilder zeigten aber war die motorisierte Massenflucht aus Kiew. Seit ein paar Tagen staut es wieder. Sechzig Kilometer weit schlängelt sich mittlerweile die Reihe gepanzerter Fahrzeuge von Norden her durch das Land. Unsichtbar in ihren Fahrzeugen warten die Männer auf den Befehl, zuzuschlagen.

Der, den sie vertreiben sollen, wandte sich unterdessen an das Europäische Parlament. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj saß im militärgrünen T-Shirt allein an einem unbekannten Ort vor der Kamera und sprach ohne Manuskript. Von Freiheit redete er, von den europäischen Werten, für die seine Leute kämpften und vom Willen seines Volkes, als gleichwertige Europäer wahrgenommen zu werden. Plötzlich war alles Phrasenhafte abgefallen von den oft gehörten Worthülsen. Selenskyj, umstellt von Panzern und zum Abschied winkend, als wäre es mehr als nur das Ende eines Livestreams, hatte ihre existenzielle Bedeutung spürbar gemacht.

In Genf erschien unterdessen das Gesicht des russischen Außenministers Sergej Lawrow auf einem riesigen Bildschirm. Das Flugverbot hatte sein Kommen vereitelt. Er war ordentlich grau gekleidet und wollte den Delegierten des UN-Menschenrechtsausschusses erläutern, warum der Krieg seines Landes gegen die militärisch hoffnungslos unterlegene Ukraine völlig rechtens sei. 140 Delegierte erhoben sich darauf und verließen stumm den Saal, unter ihnen jene aus Österreich.

Auch anderswo Gegenbilder: Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und die ÖVP setzen sich vehement für die Aufnahme von Flüchtlingen ein, Deutschland rüstet auf und selbst Österreich schließt Investitionen ins marode Heer nicht kategorisch aus. Europa beschließt mit einer Stimme scharfe Sanktionen, schickt Waffen in die Ukraine und Hilfe. Dass die heillos zerstrittene Union vor ein paar Wochen noch knapp vor ihrem Zerfall zu stehen schien – vergessen.

"Vielleicht trägt Putin, der 'Killer', ohne es zu wollen, zur Rettung der westlichen Welt bei", schreibt Manfred Prisching in seinem Essay zum heutigen Aschermittwoch. Die drei Landplagen Krieg, Seuchen und Umweltkatastrophen, vom spätgotischen Maler Thomas von Villach auf den Grazer Dom gemalt, legt er in seiner glasklaren Betrachtung auf die Katastrophen unserer Tage um – eine schreckliche, eine ernüchternde und tröstliche Bilddeutung, findet