Auf alles Gefasste und fast Fassungslose!
In diesen blutigen, ratlosen, aufgewühlten Tagen fahndet man bange nach Hoffnungsfunken. Man glaubt ja immer, dass irgendwo "auch das Rettende wächst", wie Friedrich Hölderlin meinte. Da gibt es zum Beispiel die Menschen, die in Moskau oder St. Petersburg mit hastig fabrizierten Pappschildern auf der Straße stehen. "Nein zum Krieg" lautet ihre Botschaft.
Es sind keine Massen, nein, einige fragile Grüppchen nur, eine wagemutige Wagenburg der Couragierten, ein paar Tropfen des Widerstands im Ozean der Resignation. Auf den ersten Blick keine ebenbürtigen Gegner und kein Spielmaterial für Putin: keine öffentlich gedemütigten "Experten" aus dem potemkin‘schen Sicherheitsrat, keine gelittenen Marionetten am anderen Ende der lächerlichen XXXL-Stretch-Konferenztische. Und doch sind sie die Gralshüter jener mächtigen Essenz, die auch mit Folter und Journalistenmorden nicht rauszukriegen ist aus den Köpfen und Herzen der Menschen. Jener Essenz, die auch einen Putin in die Knie zwingen kann: Freiheit.
Wir im Westen treten sie oft achtlos mit Füßen. Weil wir töricht genug sind, sie für gegeben zu nehmen. Aber in Russland, in China, in Hongkong kennt man ihren Wert. Freiheit ist die Achillesferse der Tyrannen. Denn überall und zu allen Zeiten, auch im schärfsten Gegenwind, finden sich Unbeugsame, die alles riskieren, um vom süßen und bitteren Geschmack der Freiheit zu kosten. Wie mutig kann man eigentlich sein? Wie leidensfähig? Welche Karrieren muss man opfern, welche Demütigung in Kauf nehmen, welche Bande zu den eigenen Liebsten auf Jahre durchtrennen? Man schaudert bei solchen Gedanken und kann doch die Dimension nicht ermessen.
Diese Menschen sind die wahren Heroen, die einzigen unserer Tage. Ihnen sollten wir Gedichte widmen, Denkmäler bauen, Friedensnobelpreise umhängen. Solange es noch einen von ihrer Sorte gibt – und sei es ein einziger nur –, hat die Menschheit nicht ausgedient.
Herzenswärme am Samstag wünscht