Ich war 14, als wir unseren ersten Fernseher bekamen. Wir fünf Kinder hatten unseren Vater so lange bearbeitet, bis er schließlich nachgab: Anlässlich der Olympischen Winterspiele in Innsbruck 1964 kam ein gebrauchtes TV-Gerät ins Haus. Nie wieder waren für mich Skirennen so spannend wie damals, als es auf dem Bildschirm noch schwarz-weiß flimmerte, keine Zeit mitlief und es auch keine Hundertstelsekunden gab. Wie wir von der Schule heimflogen, um nur ja nichts zu versäumen!
Rasend wurde der Sportteil durchgeblättert, bis die Seite mit der Startreihenfolge aufgeschlagen war, ein Bleistift zurechtgelegt.
Unvergesslich der Olympia-Herrenslalom in der Axamer Lizum. Meine Schwester trug die Zeiten in die dafür vorgesehene Tabelle ein, addierte fieberhaft den ersten und zweiten Durchgang – dann stand fest: Pepi Stiegler aus Lienz hatte gewonnen! Jener Läufer, der eigentlich gar nicht hätte fahren und für einen anderen (Egon Zimmermann) „geopfert“ werden sollen.
Ein Skivolk erfuhr Genugtuung. Damals glaubten wir: Das Leben kann auch gerecht sein. Immer drückte ich für die stillen Verlierer die Daumen, nie für die lauten Egoisten. Darum mochte ich auch Karl Schranz nicht. Bis zum „Nebelslalom“ in Grenoble 1968. Er durfte noch einmal starten, fuhr Bestzeit, die aber nicht in die Wertung kam, sodass Jean-Claude Killy siegte.
Von da an gab es in unserer Familie einen regelrechten Schranz-Kult. Meine Mutter, meine Schwester und mein kleiner Bruder verließen immer das Zimmer, wenn er fuhr, zu sehr litten sie mit ihm. Was hatten wir ihm nicht alles zu verdanken! Zahllose Legenden vom „einsamen Wolf vom Arlberg“, die Schranz-Hocke und jene Siegesfahrt vom Hahnenkamm, als er einen langen Linksschwung auf dem Innenski fuhr, den Außenski lässig in der Luft.
Mit der Flut der TV-Übertragungen wurde mein Interesse an Skirennen immer geringer. Außer meine Kinder standen am Start. Wenn ich ihnen noch schnell die Waden massierte, war ich viel aufgeregter als damals, als „Karl der Große“ auf der Streif triumphierte. Aber das ist lange her.
Gottfried Hofmann-Wellenhof