An gewissem Wissen haftende Gewissenhafte!
Auf der phasenweise schon leicht verzweifelten Suche nach Aktualität jenseits von Virologie bin ich über das von Greenpeace verbreitete Video gestolpert: Berge von verpacktem Fleisch in der Müllverbrennung. Wir verdrängen ja gerne den ökonomischen Wahnsinn um uns herum. Stößt man uns mit der Nase drauf, dann ereifern wir uns routiniert moralisch: Lebensmittelverschwendung, Regenwaldrodung, Mikroplastik, Wegwerftextilien, Ressourcenplünderung, Wasser- und Luftverschmutzung, Sklaven- und Kinderarbeit und so weiter. Auf diese Weise kann man täglich ganze Sauherden durch die Dörfer treiben (Tiertransporte!).
Die Einsicht indes, wie tief wir in all das durch unsere Lebensführung verstrickt sind, schieben wir oft beiseite. Dabei ist die Wahrheit in diesem Punkt schlicht: Missstände, die verbal keiner will – und dazu gehören alle oben genannten –, kann es nur geben, solange wir sie als Konsumenten insgeheim billigen. Am Wissen scheitert es heute nicht, denn leider kann man sich als Leser, Hörer und Seher zu jedem Punkt endlos Reportagen hineinziehen. Dumm gelaufen. Wir müssen also auf unseren hypertrophen Einkaufstouren in den Shoppingtempeln (und vor den Bildschirmen) eine gewaltige Verdrängungs- und Ignoranzleistung erbringen, um den erworbenen Überfluss dennoch als sinnvoll, notwendig und wenigstens kurzzeitig glücksseligmachend zu empfinden. Vielleicht sind ja auch deshalb die Wartezimmer der klinischen Psychologen voller, als die Pandemie erlaubt.
Ziemlich schwach ist allerdings die Schlussfolgerung der Greenpeace-Moralwächter, die von der Politik einen „Aktionsplan“ gegen Lebensmittelverschwendung fordern. Freilich ist es irre, dass unsere überbordende Wirtschaftsbürokratie von der Stiegenhausbeleuchtung bis zum Stelleninserate-Text lauter Nachrangiges regelt, anstatt zunächst einmal Menschen- und Tierquälerei zu untersagen. Aber auch ganz ohne Vorschriften stünde es uns frei, das Naheliegende persönlich zu tun: Weniger einkaufen, aufmerksamer verbrauchen, aufs Lustprinzip des „Immer-alles-sofort“ hie und da verzichten. Und obszöne Überkonsum-Lockangebote („Mengenvorteil 1 plus 1 gratis“) ächten. Das schaffen leider zu wenige von uns. Also ruht vorerst alle Hoffnung auf der galoppierenden Inflation: Erst, wenn wir uns Lebensmittel nicht mehr leisten können, werden wir sie pfleglicher verwenden. Das klingt ziemlich zynisch. Aber auch erschreckend evident.
Selige Samstagsfreuden wünscht