Guten Morgen, liebe Leserinnen, liebe Leser!
Wann ist die Ratio am Ende?
Die zwei Worte des Tages? Ultima Ratio. Wenn heute die umstrittene Impfpflicht im Parlament beschlossen wird, werden uns die Abgeordneten erklären, warum sie keinen anderen Lösungsweg mehr als eine Impfpflicht sehen und die Verhältnismäßigkeit dieses schweren Eingriffs in die Grundrechte gegeben ist. Oder aber warum davon keine Rede sein kann. Die jüngsten Zahlen des Prognoseteams mit einem täglichen Anstieg auf bis zu 40.000 Infektionen pro Tag in bereits zwei Wochen und einem Anstieg der Covid-Patienten um 50 Prozent in den Spitälern sprechen allerdings eine ziemlich eindeutige Sprache. Möglich aber, dass die geplante Lotterie für Geimpfte manche eher zur Impfung bringt als Infektionszahlen.
Eindeutigkeit und Notwendigkeit müssen bekanntlich keine politischen Kategorien sein. Heute sind sie es einmal. Zumindest für die SPÖ, die voraussichtlich geschlossen für das Gesetz stimmen wird. Ein Akt der Vernunft, ein Akt der Verantwortung, bei dem SPÖ-Parteiobfrau Pamela Rendi-Wagner unbeirrt die Linie vorgegeben hat. Gründe, dagegen zu stimmen, hätten sich genügend finden lassen – parteiintern wie extern. Warum sie verzichtet, parteipolitisches Kleingeld zu wechseln oder auf strategische Überlegungen zu schielen? Sie hat es klar begründet. Dass die Impfpflicht in Etappen wegen der Omikron-Welle obsolet sei, sei falsch, medizinisch und ethisch nicht vertretbar. Punkt. Eine Oppositionspolitikerin und Ärztin, die der Regierung im Kampf gegen das Virus den Rücken stärkt. Chapeau!
Für die heutige Abstimmung wären 92 Stimmen nötig, die Koalition kommt auf 97. Dass SPÖ und auch einige Neos-Abgeordnete mitstimmen werden, ist mehr als ein Signal. Es hilft, weitere Polarisierungen abzufedern, es hilft, die Akzeptanz zu erhöhen. Selbst wenn vor dem Parlament einige besorgte Bürger „Nein zur Impfpflicht – Neuwahlen jetzt“ rufen werden und wir diese dann in der ZIB wieder zu sehen bekommen. Ja, auch ein Faktum, dass Minderheiten die mediale Aufmerksamkeit überproportional auf sich ziehen. Im Gegensatz zu jenen vorwiegend schweigenden 5,8 Millionen Österreichern, die sich bereits freiwillig impfen ließen.
Stichwort Minderheit: Eine Minderheit bleiben auch Österreichs Väter in Karenz, wie eine Studie der Arbeiterkammer gestern zeigte. Da lautet die Devise unserer Väter immer noch: Kurz oder gar nicht! Niederschmetterndes Ergebnis: Bei acht von zehn Paaren geht der Mann weder in Karenz noch bezieht er Kinderbetreuungsgeld. Und wenn Papa tagsüber Windeln wechselt, dann im Schnitt nur maximal drei bis sechs Monate.