Der Fall des neunjährigen Buben, der an der Volksschule Voitsberg einen Test in der Winterkälte schreiben musste, ist mehr als eine kleine Lokalgeschichte, die die Gemüter erhitzt. Weil genau das das Kalkül derer war, die die Eskalation heraufbeschworen, ist der Fall nicht nur die Geschichte einer örtlichen Aufwallung. Er ist ein Lehrstück über die manipulative Wirkmacht von Bildern. Der Fall erzählt von der unheilvollen Rolle der Sozialen Medien als Heizkessel der Gefühle. Und: Er führt vor Augen, wie nah an den Rand der Vernunftferne der zersetzende Impfstreit alle Beteiligten herangeführt hat.
Ja, man kann die Schule, die Leitung wie die Lehrenden, nicht von der Verantwortung freisprechen. Dass sie die Maskenbefreiung für das gesunde Kind in Zweifel zogen, zumal jede medizinische Evidenz fehlte, war begründet. Aber sie hätten dem Freiluft-Kompromiss, von den Eltern ventiliert, nicht zustimmen und dem Druck nicht nachgeben dürfen. Auf schulischem Boden sind sie es, die die Standards vorgeben. Ein Kind von draußen an einer Leistungsfeststellung teilhaben zu lassen, der Schulmauer zugewandt und unter dem offenen Klassenfenster, ist abgründig. Es schuf eine Situation, die ein Kind isoliert und bloßgestellt zeigte, ohne sich dessen bewusst zu sein. Es konnte nicht wissen, was da auf seinem Rücken ausgetragen wird, und was das für eine Art von Krieg ist, in den die Erwachsenen gezogen sind, voran die eigenen Eltern. Alles, was das Kind wollte, war, seinen Lernfortschritt unter Beweis zu stellen. Es hatte das edelste Motiv von allen.
Das Bild, das sich darbot und der Vater laut Schule so wollte, hielt dieser als Mittel der Beweisführung gegen den Willkür-Staat mit der Handykamera fest. Er fotografierte von hinten und teilte das Foto. Vielleicht war er da schon mehr Kriegsteilnehmer als schützender Vater. Das Bild vervielfältigte sich schneller als auf jeder Druckmaschine und war mächtiger als eine Streitmacht. Ein Zehntel einer Sekunde, so lange dauert es, bis man Inhalt und suggestive Botschaft eines Bildes erfasst. Beides sickert schneller ins Bewusstsein als Schrift und Wort. Macht hat, wer die Macht über das Bild hat. Es vermittelt den Eindruck einer gesicherten Wirklichkeit, auch wenn es, wie hier, nur einen Ausschnitt dieser wiedergibt. Das Bild sollte den Zorn auf die Schule, Abbild des abgelehnten Staates, lenken. Sie ist jetzt Zielscheibe der Hassbereiten.
„Der Wahnsinn findet kein Ende“, stand unter dem Foto, Hashtag „Es reicht“. Über die Kindestränen nach der Trennung von den Mitschülern stand nichts zu lesen. Vom Außenseitertum, in das man den Buben durch die Ablehnung der Schutzmaske und den Schulwechsel stieß, auch nicht. Das ist nicht die Absonderung, die die Krieger meinen. Sie werden Fragen gestellt bekommen, wenn das missbrauchte Kind größer sein wird. Dann können sie nur hoffen, dass es nicht die Kamera einschaltet.