Am Ausbau der Atomkraft führt kein Weg vorbei, will man die Klimaziele erreichen. Strom aus Atomkraftwerken ist aber weder grün noch nachhaltig. Im Oktober 1978, kurz vor der Volksabstimmung über das Schicksal des AKW Zwentendorf am 5. November 1978, war ich aktiv in der Anti-AKW-Bewegung dabei. Der Ausgang der Volksabstimmung (50,41 Prozent gegen die Inbetriebnahme) war knapp. Aus den bunten Reihen der AKW-Aktivisten entstand die grüne Partei.
Nukleartests in den Wüsten von Nevada, Algerien und Indien und im Pazifik sind Kindheitserinnerung. Wenn in den 1960er-Jahren radioaktive Regenwolken über den Himmel zogen, meinten meine Eltern, es sei besser, im Haus zu bleiben. Unfälle in den Reaktoren in den USA, in der Sowjetunion, in England, Kanada sowie in Tschernobyl und Fukushima gingen nicht spurlos an den Menschen vorbei. Viele der bösartigen Spätfolgen atomarer Verstrahlung (Leukämie, Schilddrüsenkrebs, Lymphome) sind heute zum überwiegenden Teil heilbar. Ich bin eine der Geheilten. Den Leidensweg einer Chemotherapie wünsche ich niemandem.
Was aber sind schon ein paar Millionen Krebskranke gegen Abermillionen von Menschen, die als Folge des Klimawandels leiden werden, verursacht durch Wohlstand und Bevölkerungswachstum, durch die Methanfürze von Kühen, die CO2-Emissionen von Kohlekraftwerken, Autos und Flugzeugen. Wir werden unser Verhalten ändern. Wir werden uns in E-Autos setzen, mit superschnellen Zügen von A nach B rasen und in mit Atom betriebenen Schiffen übers Meer gondeln. Wir werden in Bitcoins zahlen und die Altenbetreuung Robotern überlassen. Und weil wir dazu mehr Strom brauchen, werden wir neue Atomkraftwerke bauen und den Müll von den alten tief unten in Bergwerken versenken – und vergessen.
Verhaltensregeln bei einem AKW-Unfall sind mir noch bekannt: sich einbunkern, Jodtabletten schlucken, statt heimischer Kartoffeln Bananen essen, Gartenerde abtragen und alle beneiden, die es schafften, auf die Kanaren zu flüchten. Und hoffen, dass die Spätfolgen die anderen treffen.
Friederun Pleterski