Das Land erregt sich schnell. Worüber ihr euch jeden Tag empören könnt, ist schon sagenhaft, meinte neulich kopfschüttelnd ein gelassener Schwede, der für einen internationalen Konzern in Graz arbeitet. Das Gute an dem Land, dem es grad nicht besonders gut geht, ist: Das Land kühlt sich auch schnell wieder herunter. Es ist nicht verloren, wenn es sich verliert und abhanden kommt. Reg dich ab, mahnen die Besonnenen, und finden in der Regel schnell Gehör.

Da fügt es sich, dass heute die Gastronomie wieder aufsperrt. Die Gasthäuser sind Ventile für alles Aufgestaute, Wiederherstellungsanstalten für die wundgeriebene Seele. Sie sind, wie der Wirtshaus-Poet Helmut Gansterer schrieb,Orte des Trosts in schweren Zeiten, Biotope respektvoller Streitgespräche und spöttischer Gemetzel aus nächster Nähe, Schulter an Schulter, nur ein Baby-Elefant dazwischen. Dazu die „herrlichen Unkorrektheiten und Häkeleien zwischen männlichen und weiblichen Diskutanten, die der Heiterkeit und Erotik so viel dienlicher sind als der puritanische Korrektheitswahn“.

Zu ergänzen wäre: Lieber das Ungehemmte im Wirtshaus als das Hemmungslose auf den Straßen, wo keine Wirtin ist. Einem Wirt oder einer Wirtin zu widersprechen: Widerstand gegen die Staatsgewalt. Der Autor lernte es beim „Pumpe“ in Klagenfurt, dem einzigen Ort abseits der Eishalle des KAC, an dem die klassenlose Gesellschaft verwirklicht war. Vielleicht sind die Wirtshäuser das stärkste Argument für die Misstrauensgiganten, Skeptiker und Zweifler, sich impfen zu lassen, um rein zu dürfen. Die Leute können dort ruhig weiterschimpfen und weitergranteln, dass das Leben hinter den Erwartungen zurückblieb, aber unter Aufsicht und ohne meterhohe Kuhglocken, Fahnen und Ausrufung der Diktatur. Niemand schreit dort ungestraft, wir sind das Volk. Man kann ein Krügerl umschmeißen, aber es gibt kein Wir, das Altenbetreuern oder Pflegern Kaffee ins Gesicht schüttet. Und wenn man aufsteht und nach Hause geht, ist fast alles wieder gut.

Österreich ist kein gutes Land, wenn die Gasthäuser zu sind. Geschlossene Gasthäuser tun ihm nicht gut. Es ist ein anderes, fremdes Land. Gut, dass sie heute aufsperren. Gut, dass die Wirte und Wirtinnen wieder mit den schwarzen ledernen Geldbeuteln zurückkehren und auf die Leute aufpassen, dass sie nicht jemand werden, der sie nie sein wollten.

Herzlich,