Karlheinz Tscheliessnig tritt mit heutigem Tag als Vorstandsvorsitzender der steirischen Spitalsholding KAGES ab. Nachdem öffentlich geworden war, dass der 74-jährige Chef von 16.000 Spitalsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern, die im Jahr 1,2 Millionen Patienten betreuen, sich nicht impfen hatte lassen, reichte er tags darauf bei Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer den Rücktritt ein. Zu spät. Viel zu spät. „Wir sind stolz darauf, mit unserer Arbeit Menschen zu helfen. Wir setzen wichtige Ziele der Gesundheitspolitik unseres Landes in die Tat um“, beginnt das Leitbild der Kages. Allein deshalb hätte der früher verdiente Herzchirurg schon längst seine Funktion abgeben müssen. Wenn er sich schon nicht aktiv an die Spitze der Impfkampagne setzen wollte, wie es MedUni-Rektor Markus Müller vorzeigte, oder der Infektiologe des Spitals Favoriten, Christoph Wenisch, der sich als erster Österreicher hatte impfen lassen, so hätte Tscheliessnig wissen müssen, dass er mit seiner Haltung als oberster Gesundheitsmanager der Steiermark fehl am Platz ist. Und auch der Aufsichtsrat hätte darüber nicht hinwegsehen dürfen.
Zu den Begriffen Eigenverantwortung und Fremdverantwortung hat sich der Primarius für Innere Medizin im Ordensspital der Barmherherzigen Brüder in St. Veit/Glan, Franz Siebert, in einem Brief an die Redaktion gewandt. „Wir alle sind glücklicherweise in eine Demokratie geboren und haben neben unseren Freiheiten auch Verantwortung zu tragen. Dazu zählt gerade in Zeiten einer Pandemie sehr wohl eine Eigenverantwortung, welche aber offensichtlich von vielen derzeit als Egoismus fehlinterpretiert wird.“ Anschaulich beschreibt der Mediziner den konkreten Bruch, wenn sorglos ohne Masken demonstriert wird. „Es ist das gute Recht jedes Bürgers zu demonstrieren und die freie Meinungsäußerung wohl unserer größtes demokratisches Gut. Fehlende Rücksichtnahme an den Tag zu legen und alle Schutzmaßnahmen, und sei es nur eine Maskenpflicht, die niemanden wirklich belastet, abzulehnen, ist allerdings verantwortungslos und die Gemeinschaft gefährdend. Es zeugt von Zynismus und Missachtung denjenigen gegenüber, die sich tagtäglich für schwer kranke Mitmenschen abrackern.“
Noch weiter gehe Fremdverantwortung, der sich nicht nur Führungskräfte sondern jede und jeder Einzelne zu stellen habe. Dazu der Primarius aus dem Spitalsalltag: „Wie kommen Menschen dazu auf z.B. Hüftoperationen, trotz lange bestehender Schmerzen, Herzoperationen bei z.B. Herzklappenfehlern, mit körperlicher und seelischer Beeinträchtigung durch die Herzschwäche, warten zu müssen auf Grund fehlender Intensivbetten und fehlendem Personal, welches bei Covid-Patienten vermehrt eingesetzt werden muss, nur weil sich ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung nicht an entsprechende Maßnahmen und Verordnungen halten will?“
In Kärnten müssen im Lockdown Menschen einigermaßen verstört wahrnehmen, wie sich am Wochenende der Großteil von rund 6000 Demonstranten der Maskenpflicht ohne Konsequenz entzog – und zugleich die Covid-Fallzahlen im Land auf traurigen Österreich-Höchstwert steigen. Die Deeskalationsstrategie der Exekutive lässt Coronaleugner kalt: Wegen der Androhung einer Chatgruppe von Störaktionen vor und in Spitälern muss jetzt die Polizei in Kärnten den Streifendienst rund um Kliniken verstärken sowie Impf- und Teststraßen bewachen.
„Auch die politische Verantwortung“, schreibt Primarius Siebert weiter, „ist eine Fremdverantwortung mit dem Ziel zum Wohle der Bürger. Bei aller Kritik am aktuellen politischen Vorgehen ist dennoch zu beachten, dass alle derzeitigen Beschlüsse zumindest übereinstimmend von drei größeren Parteien und zusätzlich allen Landeshauptleuten zustande gekommen sind. Dass sich die aus verschiedensten Gründen an den aktuellen Demonstrationen teilnehmenden Menschen aber auch von einer Partei missbrauchen lassen, ist doch bedenklich.“
Tatsächlich ist hier der Wurm drin.
Bleiben Sie gesund und zuversichtlich.
Adolf Winkler