Die letzten 72 Stunden gaben beredt Zeugnis davon, wie politische Kommunikation aus dem Ruder laufen kann:
Am Donnerstag erklärte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer der erstaunten Presse, dass in seinem Hoheitsgebiet alle Coronafälle unter Kontrolle und die Spitäler sicher nicht überlastet seien – eine strengere FFP2-Maskenpflicht würde zur Beruhigung der pandemischen Lage also vollends genügen. Tags darauf dann ein Verkündungsspektakel in der ausgedehnten Mittags-ZiB: Zuerst avisiert Bundeskanzler Alexander Schallenberg unter dem medialen Getöse einer Blackout-Übung in Tirol, dass ab Montag in ganz Österreich ein Lockdown für Ungeimpfte verordnet wird. Unmittelbar danach meldet Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein aus seinem Amtssitz, er habe sich mit den Landeshauptleuten von Oberösterreich und Salzburg im zweiten Anlauf darauf geeinigt, die Stufe 5 des Corona-Notfallplans mit dem Lockdown für Ungeimpfte vorzuziehen – aber eben nur dort. In anschließenden Schaltungen zu Thomas Stelzer nach Linz und Wilfried Haslauer nach Salzburg wird das Verwirrspiel perfekt, sodass selbst Mücksteins Ankündigung, eine Impflicht für das Gesundheitspersonal anzuordnen, beinahe darin untergeht. Zur Komplettierung des Chaos schickt der Minister den Verordnungsentwurf über den bundesweiten Hausarrest für Ungeimpfte schon am Samstag an die Parlamentsparteien, ohne wie ursprünglich angekündigt den heutigen Krisengipfel mit den Landeshauptleuten abzuwarten.
Wieder einmal wurde die Politik vom Tempo der Pandemie überrollt. Im erneuten Kommunikationswirrwarr tritt außerdem schmerzhaft zu Tage, wie flach die Lernkurve der Verantwortungsträger ist: Das Versagen im Sommer 2020 scheint nämlich aus aller Erinnerung gelöscht.
Nach den Entbehrungen und Einschränkungen der ersten Lockdown-Monate hatte man damals alle Signale auf Entspannung gestellt. Mitte Oktober vergangenen Jahres wurde außerdem im größten Bundesland, in Wien, gewählt. Das Stimmvolk sollte nicht länger mit Corona-Warnungen verschreckt werden, sondern endlich seine Stadt zurückerobern. Bürgermeister Michael Ludwig schenkte also allen Haushalten einen 50-Euro-Gutschein für den Wirtshaus-Besuch, die Grünen plakatierten ihren Gesundheitsminister Rudolf Anschober als Schutzpatron gegen die Seuche und Türkis lobte sich ausgiebig für das weltbeste Krisenmanagement.