„Die Maus, die brüllte“, schreibt Politik- und Medienexperte Peter Plaikner auf Twitter. „Wie kommt ein derart kulturferner Apparatschik in den Stiftungsrat?“, fragt eine Userin. „Ich denke, Neuschitzer irrt hier gewaltig und verkennt die Relevanz von Armin Wolf“, analysiert ein anderer. Der ZiB2-Anchorman selbst würde sich gern als Aufsichtsrat bei „Post, Verbund, OMV und div. Großbanken anmelden“. Denn er „bringe Hausverstand mit und die Sicht des durchschnittlichen Kunden“, so Wolf. Mit diesen Worten begründete nämlich Siggi Neuschitzer, Hotelier und Kärntner Vertreter im ORF-Stiftungsrat, am Wochenende im Interview mit der Kleinen Zeitung seine Kompetenz für den Aufsichtsrat des größten Medienunternehmens in Österreich. Neuschitzer ging in dem Interview auf Wolf los. Dieser sei „hoch bezahlt“ und mache einen guten Job, lasse aber „Rülpser über das Unternehmen“ und „teilweise sind seine Kommentare überflüssig. Wenn er anfängt, zu bewerten, statt zu berichten, nimmt er sich selbst zu wichtig“, so Neuschitzer, der sich schon vor einigen Jahren mit Wolf angelegt und die Offenlegung von Nebentätigkeiten gefordert hatte. Dass ein Aufsichtsrat öffentlich derart gegen einen der bekanntesten Vertreter „seines“ Unternehmens austeilt, ist er erstaunlich und bedenklich.
Neuschitzer selbst wird sich freilich über die Aufmerksamkeit freuen. Vielleicht hilft ihm das sogar einen Käufer für sein Babyhotel in Trebesing zu finden, das er seit rund 40 Jahren führt. Die Zuschreibung „umtriebig“ ist noch eine Untertreibung für den Mann, der sich einst klar zu den Freiheitlichen bekannte, sich nun aber als Wechselwähler bezeichnet. Wie ist Neuschitzer, der „Windelwirt“, der keine Gelegenheit auslässt, Oberkärntner Jause zu verteilen, in den ORF-Stiftungsrat gekommen? Uwe Scheuch habe ihn gefragt, was er politisch werden wolle, erzählte Neuschitzer einmal freimütig. Ein Mandat sei für ihn nicht in Frage gekommen, aber „der ORF würde mich schon interessieren“. Und so wurde der Hotelier Ende 2009 vom damaligen Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler als Vertreter des Landes in den Stiftungsrat entsandt. „In den ersten ein, zwei Jahren war ich etwas tollpatschig auf dem glatten Wiener Parkett“, sagt Neuschitzer heute. Interventionsbrief mit orthographischen Schwächen an den Kärntner ORF-Chefredakteur, Anrufe mit Aufforderungen an RedakteurInnen, Attacken gegen RedakteurssprecherInnen, Kritik an der Interviewführung von Armin Wolf etc. Weil er andererseits den Interessen Kärntens (Bachmann-Preis, Musi, Starnacht) immer lautstark Aufmerksamkeit verschaffte, hielt nach dem politischen Wechsel auch Peter Kaiser an Neuschitzer fest.
Als einer von 35 Stiftungsräten lässt der Kärntner offen, wem er bei der Wahl zum ORF-Generaldirektor kommende Woche seine Stimme geben wird. Dass der favorisierte Vize-Finanzdirektor Roland Weißmann vergangene Woche mit Neuschitzer die Kärntner Parteichefs abklapperte, ist aber kein Zufall und Sinnbild der politischen Ränkespiele eines solchen ORF-Wahlkampfs. 50 Euro Pauschale im Monat bekommt ein Stiftungsrat übrigens, dazu kommen 100 Euro Sitzungsspesen pro Tag und Kostenersatz für Anfahrt, Nächtigungen etc.
Scharfe Kritik an Neuschitzer hat der Kleinen Zeitung Klaus Unterberger, Leiter des Public Value-Kompetenzzentrum der ORF Generaldirektion, zukommen lassen. Wolfs Meinungsäußerungen „als „überflüssige Rülpser“ zu bezeichnen, die er zu unterlassen hätte, ist nicht nur eine bemerkenswerte Herabwürdigung seiner Person, sondern auch im Kontext seiner Arbeit unzulässig“, schreibt Unterberger. „Wer -wie Herr Neuschitzer salopp formuliert- ‚seinen Senf‘ in Fragen ORF ‚dazu gibt‘, braucht keine belehrende Genehmigung.“ Und abschließend: „Wer immer sich bei der Wahl am 10. August durchsetzen wird, wird sich einer ORF-Belegschaft gegenübersehen, die mit allen Kräften ihre Äquidistanz zu Regierung und den Parteien, ihre Unabhängigkeit und ihre Kompetenz zu kritischem Journalismus verteidigen wird.“ Die Kolleginnen und Kollegen werden auch in den nächsten Jahren eine dicke Haut brauchen.
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