Schleichende Abschaffung des Bargeldes, Kriminalisierung von Bargeld-Nutzern oder wichtiger Schritt im Kampf gegen Geldwäsche, Steuerflucht und illegale Geschäfte mit Drogen? Die Reaktionen auf die am Dienstag von der EU-Kommission angekündigten Grenze für Bargeld-Transaktionen gehen diametral auseinander. Rechnungen sollen künftig nur noch bis zu einer Höhe von 10.000 Euro in bar bezahlt werden dürfen. Ausnahmen für Geschäfte zwischen Privatpersonen und Menschen ohne Konto sind vorgesehen. Der vorgelegte Plan ist weit entfernt von einer Abschaffung des Bargeldes, die hierzulande von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) abwärts zahlreiche Politikerinnen und Politiker suggerieren. In Österreich werden derzeit zudem Unterstützungserklärungen für ein Volksbegehren namens „Für uneingeschränkte Bargeldzahlung“ gesammelt. Darin wird auch eine Verankerung des Bargeldes in der Bundesverfassung gefordert. Schon im Herbst 2019 stand im Parlament ein entsprechender Beschluss in diese Richtung bevor, letztlich kam es wegen unterschiedlicher Anträge jedoch zu keiner Einigung der Parteien.
In 18 von 27 EU-Staaten gibt es übrigens bereits Obergrenzen für Bargeld-Geschäfte, in Griechenland ist zum Beispiel schon bei 500 Euro Schluss mit der „Scheinwelt“. Der bargeldlose Zahlungsverkehr wird dank Smartphone-Apps etc. immer einfacher und beliebter, das Konsumentenverhalten verändert sich. Deshalb zu signalisieren, dass Banknoten und Münzen generell obsolet werden oder etwas Böses seien, wäre ungeschickt. Damit würde sich die Kommission einen Bärendienst erweisen und Anti-EU-Ressentiments verstärken. Obwohl selten jemand in Verlegenheit geraten wird, im Alltag von einer 10.000-Euro-Grenze tangiert zu sein, geht es um die Signalwirkung, die zählt. Wer Bargeld abschafft, nimmt Menschen Individualität, Wahlfreiheit und letztlich auch ein Stück Demokratie. Noch mehr technische Abhängigkeit, noch mehr Überwachung befeuern die Angst vor einer bargeldlosen Gesellschaft. Gerade in Zeiten niedriger Zinsen und Negativzinsen horten wieder mehr Menschen Geld zu Hause.
Die „scheinheilige“ Diskussion um das Bargeld überdeckt indes wichtigere und beachtlichere Gesetzespakete der EU-Kommission. Die Einrichtung einer EU-Behörde für die Geldwäschebekämpfung ist ebenso zu begrüßen wie Verschärfungen im Bereich der Kryptowährungen. Transaktionen sollen künftig vollständig verfolgbar, anonyme „Wallets“ verboten werden. Ein Schritt in Richtung klare Spielregeln, der längst überfällig war. Bitcoin & Co. legen seit Jahren weitgehend unkontrolliertes und unreglementiertes Wachstum hin. Die spannenden Alternativen zu klassischen Währungen sind bis dato vor allem lukrative Spekulationsobjekte. Wie schnell die Luft aus Krypto-Blasen entweichen kann, zeigen die vergangenen Wochen. Wer zum Beispiel Anfang Mai 1000 Euro in Bitcoin, Ethereum oder Ripple investiert hat, hält jetzt bei einem Wert von weniger als 500 Euro. Davor war es freilich monatelang steil bergauf gegangen.
Bleiben Sie krisenfest, wünscht