Kurztrip nach Porec, ins kleine, aber komfortable Mobile Home. Ringsum Tschechen, Slowaken und Polen, die Stammgäste aus Österreich bleiben noch in der Minderzahl. Das it-Piece am Strand ist schnell ausgemacht: Man trägt hier nicht Maske, sondern Sonnenbrand. Männerrunden kombinieren krebsrote Oberarme zum angesagten Ruderleiberl, Damen zeigen dezent verbrannte Nasenrücken unter Gucci-Brillen. Die Jugend stylt ihren Sonnenbrand lieber cool am Kai – Kopfhörer auf, Musik an und die glühenden Waden leger ins Meer getaucht.
Einen Mode-Fauxpas provozierte unser Campingnachbar schon am ersten Urlaubstag. Er war zwar fesch gestartet und lag auch voll im Trend, nämlich über Stunden in der prallen Sonne. Genüsslich röstete und brutzelte er am Liegengrill. Doch die Glut forderte ihren Tribut. Der gute Mann schlief ein, den Arm quer über die Brust gestreckt. Beim Abendessen kam er uns entgegengetorkelt, trunken vor Hitze, Polnischrot bis zu den Zehenspitzen. Mitten am Oberkörper das absolute No-Go: fünf Finger samt Ausläufer in reinem Schneeweiß kosteten ihn den „Mr. Sunburn“ und seiner Frau den letzten Nerv. Tags darauf verpasste sie ihm Schirm, Hemd, Kapperl, literweise Sonnencreme - und mit einem Schlag war alles Strahlen aus seinem Gesicht gewichen.
In den Abendstunden drängten die Sonnenanbeter zur Altstadt, dicht an dicht, Hitzekoller und Deltaalarm möglichst weit von sich schiebend. Man sucht das Gaudium, will nachholen, was lange entbehrt. In den engen Gassen des Hafenstädtchens steigt die Party, das Virus tanzt dazu.
Die Bilder gleichen sich landauf, landab. Ob an Kroatiens Küste, in den Grachten von Amsterdam, am Ufer des Wörthersees oder in den steirischen Großdiskotheken: das Nachtleben pulsiert, die Corona-Cluster wachsen im Rhythmus dazu. Hauptbetroffen die Gruppe der 15 bis 24-Jährigen, deren Immunisierungsgrad schon aufgrund nachgereihter Impftermine am geringsten ist.
„Jetzt seid ihr dran“, hieß es eben noch von Wolfgang Mückstein – nun muss auch der Gesundheitsminister zurückrudern. Eingedenk des vergangenen Sommers sieht die Regierung rot, will der ungezügelten Freiheit wieder Einhalt gebieten und PCR-Tests oder Impfungen zur Zutrittsbedingung in die Nachtgastronomie erklären. Rund 50% der impfbaren Bevölkerung sind erst ein- oder keinmal geschützt, die Immunisierungsrate dürfte bis Herbst bestenfalls auf 65% steigen. Sollten die Impfungen dann stagnieren, müsse man das Testangebot neu bewerten, bekennt der Gesundheitsminister im Interview mit Michael Jungwirth: „Wir haben weit über eine Milliarde Euro seit Beginn der Pandemie für Tests ausgegeben. Das war richtig, aber irgendwann muss das irgendwer bezahlen.“
Die teuren PCRs als erster Stolperstein für die Impfskeptiker, denen auch in Gesundheitsberufen das Weiterkommen erschwert wird. Noch steht für Mückstein die Versorgungssicherheit über der Impfpflicht für Pflegekräfte, einige EU-Staaten verordnen diese aber schon (Frankreich, Griechenland, Italien) und selbst erste Bundesländer (Steiermark, Niederösterreich, Wien) offerieren Neuanstellungen in den Spitälern bevorzugt an Geimpfte.
Schön langsam zeichnet sich ab, dass Impfgegnern die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bewusst erschwert wird. Der Protest gegen diesen "Impfzwang durch die Hintertür" ist vorprogrammiert. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft kann die Pandemie jedoch nur durch Impfungen und eine Herdenimmunität von rund 80 Prozent wirksam bekämpft werden. Um die Freiheitsbeschränkungen dauerhaft abzuschütteln, bedarf es also eines Akts der kollektiven Solidarität. Auch wenn es keine gesetzliche Impfpflicht geben wird – die moralische existiert bereits.
Einen unbeschwerten Sonntag wünscht Ihnen