Ein Mann mittleren Alters steht hart an der Seitenlinie eines Fußballplatzes und ist sehr aufgeregt. Obwohl außer ihm nur noch sieben Zuschauer da sind, scheint es ein ganz wichtiges Match zu sein. „Wirst sehen, heute verlieren wir“, wendet er sich an seine Frau. „Ich bitt’ dich, verschrei’s nicht“, wirft diese zaghaft ein. „Warum wärmt er sich nicht ordentlich auf?“ Der Vater gibt seinem Sohn noch letzte Tipps, dann beginnt das Spiel. „Die sind körperlich viel stärker, gegen die haben wir nie eine Chance“, sagt er zu seiner Frau, die schweigt, aber mimisch zu erkennen gibt, dass ihr diese Art der Unterhaltung durchaus nicht fremd ist.
„Ein Wahnsinn, wie die hineinsteigen. Schiri, siehst du nix?“, brüllt er plötzlich, sodass seine Frau leicht zusammenzuckt. Als der Referee ein Foul an seinem Sohn nicht ahndet, wendet sich der Vater an fünf vor ihm sitzende, offenbar mitgereiste Fans der gegnerischen Mannschaft. „Was habt’s denn dem Schiri zahlt, dass er nur für euch pfeift?“ Ein stämmiger Glatzkopf gibt ihm eine ziemlich derbe Antwort. In diesem Augenblick fällt das 1:0 – und der Mann seiner Frau jubelnd um den Hals. Dennoch beruhigt ihn der knappe Vorsprung nicht wirklich. „So einen schlechten Schiedsrichter haben wir noch nie gehabt“, belehrt er, das Thema wieder aufnehmend, seine Frau.
Nachdem sein Sohn eine große Chance vergeben hat, klammert er sich schwankend am Geländer fest. „Ich fleh’ dich an, reg dich doch nicht so auf“, macht sich seine Frau berechtigt Sorgen um ihn.
Plötzlich fällt aus einem Konter das 1:1. „Abseits!“, brüllt der Mann außer sich. „Das war fünf Meter abseits. Schiri, du ...“ Es folgt ein nicht druckreifes Schimpfwort, sodass sich seine Frau veranlasst fühlt, einige Meter von ihm abzurücken. Sie will während des Spiels augenscheinlich nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Der Vater vergisst in seinem unvermittelt stark anhaltenden Ärger beinahe, dass die Mannschaft seines Sohnes mittlerweile klar in Führung liegt.
Übrigens: Das Match ESK U16 gegen Birkfeld U 16 endete 5:1. Und der Vater war ich.
Gottfried Hofmann-Wellenhof