Der heutige Tag bringt nicht nur wieder große Hitze – freuen wir uns darüber, die Kälte im Winter dauert ohnehin lang genug – er bringt auch den Finanzminister wieder als Auskunftsperson vor den Ibiza-U-Ausschuss. Was er bei seinem dritten Auftritt sagen wird? Er könnte wiederholen, was er in den letzten Tagen sagte. Dass er sich die Worte des Bundespräsidenten sehr zu Herzen genommen habe. Hat er? Vielleicht werden da eifrige Abgeordnete noch auf die Idee kommen, einen Lügendetektor zu beantragen. Und er könnte wiederholen, dass vom Finanzministerium entgegen der Vorwürfe des U-Ausschusses alles geliefert worden ist. Eine Einladung muss er ja nicht mehr wiederholen, die Einladung an den Bundespräsidenten, sich selbst davon zu überzeugen. Eine Aufforderung, die im Hinblick auf die bereits gelieferten Zehntausenden Mails schon einer Frotzelei gleichkommt. Sollte der Präsident im Finanzministerium Detektiv spielen, nachdem die Verfassungsrichter sich nicht mehr für zuständig erklärten?

Der Bundespräsident hat reagiert, wie er immer reagiert - gelassen, ruhig, der aktuellen Eskalationsstufe angepasst: deeskalierend mit typischem Van der Bellschen Humor. Er sei vieles, aber kein Hellseher. Letzteres würde das Staatsoberhaupt auch nicht sein wollen. Wer weiß, wen er als Hellseher in der Vergangenheit gar nicht angelobt hätte. Er hätte gestern aber auch nicht in der Rolle des Schiedsrichters sagen können: „Die einen sagen so, die anderen sagen so.“

Er wusste: Hätte er sich für eine zweite Exekutionsandrohung gegen den Finanzminister entschieden, hätte er damit auch den Führungskräften im Finanzministerium unterstellt, mit ihren Unterschriften, mit denen sie die Vollständigkeit der übermittelten Akten garantierten, gelogen zu haben. Er hat mit der Übertragung an ein Gericht den einzig gangbaren Weg gewählt. Im Wissen, dass auch der Richter am Straflandesgericht kein Hellseher ist und angesichts Zehntausender Mails überfordert sein wird in der Beurteilung, ob da alles geliefert worden ist oder nicht.   

Was am Ende dieses Ausschusses auf der Tagesordnung stehen sollte? Unsere Innenpolitik-Ressortchefin Veronika Dolna geht in unserer heutigen Ausgabe dieser Frage nach. Es sollte jedenfalls eine Debatte darüber geben, ob Staatsanwälte weiter ohne richterliche Genehmigung Handys beschlagnahmen dürfen oder aber wie bei jeder Telefonüberwachung eine richterliche Genehmigung einzuholen haben. Wie in Ruhe überlegt werden müsste, ob U-Ausschüsse zeitlich zu Strafverfahren getrennt werden sollten, wie die Präsidentin der Staatsanwälte, Cornelia Koller, vorschlägt. Ob dies ein „Angriff auf das Parlament“ ist, wie Neos und SPÖ kritisieren? Adressat der Kritik ist zwar die ÖVP, die sich der Forderung der Staatsanwältin anschließt, aber sie trifft zwangsläufig auch Cornelia Koller. Die Staatsanwältin wird kaum das Ziel haben, das Parlament „anzugreifen“.

Weit erfreulicher als diese neue Eskalationsstufe ist der sensationelle Erfolg des 26-jährigen Felix Ohswald und des 28-jährigen Gregor Müller mit ihrer Bildungsplattform GoStudent. Da schaffen es zwei Österreicher mit Leidenschaft und Unternehmergeist ihr Startup mit 1,4 Milliarden Euro zum höchstbewerteten Unternehmen für digitale Bildungsangebote in Europa zu entwickeln. Zwei ehemalige Studenten, die - wie sie erzählen - beim Aufbau ihrer Nachhilfeplattform in jedes Fettnäpfchen getreten sind, aber dennoch nicht aufgegeben haben. Die beiden sind damit auch der Gegenbeweis für den Befund mancher Wirtschaftswissenschafter, die eine zunehmende fehlende Leistungsbereitschaft auch von jenen orten, die leistungsfähig wären, aber nicht das leisten, was sie leisten könnten und einer 30 oder 35-Stunden-Woche den Vorzug geben. Letzteres lässt sich zweifelsfrei schwer mit einer neuen Kultur der Leistungsbegeisterung vereinbaren. Eine Kultur, die angesichts der Corona-Schuldenberge, der Konkurrenz aus China und auch im Hinblick auf die Notwendigkeit engmaschiger Netze des Sozialstaates nötig wäre.

Was bräuchte Österreich? Viele Ohswalds, die die Ärmel hochkrempeln und weniger Fans einer geförderten Vier-Tage-Woche, die die SPÖ auf ihrem Parteitag am Samstag fordern wird. Daran sollte vielleicht auch jemand erinnern – abseits von 1000-Euro-Schecks für jeden Haushalt und Debatten, wie viele Mails aus dem Finanzministerium noch fehlen könnten oder auch nicht.

Einen erfolgreichen Tag wünscht Ihnen