Viel Zeit hat man nicht zur Ausformulierung des Urteils, wenn die Seiten, die letzten der Ausgabe, synchron mit dem Schlusspfiff belichtet werden müssen. Hubert Gigler versuchte es gestern Nacht im feurigen Orange des Amsterdamer Stadions trotzdem, und das las sich dann in der Früh so: „Österreich verlor ein Spiel, gegen einen Gegner, der den Fußball für diesen großen Bedarf in jeder Hinsicht besser interpretierte.“ Auch am Morgen nach dem 0:2 hätte man die Unterlegenheit und ihre Konsequenzen nicht präziser zusammenfassen können.
Das erfolglose Bemühen hatte ein, zwei tragische Momente. Der eine war eine gewisse mutige Harmlosigkeit, die das Spiel durchzog. Mut als fehlerhafte Andeutung, aber nie als äußerste Form der Entschlossenheit. Ein Mut, eher wie der laute Kindheitsmut im finsteren Keller. Mut, der nie bei einem anderen ankommt. „Wir haben die Tiefe nicht attackiert“, sagte jemand im Fernsehen nach dem Spiel, ein Satz scharf entlang der Linie zwischen verzweifeltem Nonsense und Philosophie.
Dass die Tiefe des Raums in weiter Ferne blieb, war allerdings weniger einem Defizit an Haltung geschuldet, sondern einzig den fehlenden Lösungen und beschränkten eigenen Mitteln. Franco Fodas Satz: „Wir waren um den gegnerischen Torraum herum nicht zielstrebig genug“ war eine menschenfreundliche Verschleierung dieser bitteren Erkenntnis. Die Mannschaft strebte nach dem Ziel, fand aber nie den Weg dorthin. Die zweite Tragik betraf David Alaba. Er, der als einziger global player mit seiner Autorität und Strahlkraft die Mannschaft von hinten heraus zum Glück und zum Unerwarteten („Do the unexpected!“) führen hätte sollen, stieß mit seinem folgenschweren Fehler das Tor zum Unglück und zum Erwarteten auf.
Danach war der Anfangsmut nicht einmal mehr eine Andeutung.
„Das Turnier ist jung, wir müssen wachsen“, sagte der niederländische Trainer im Stil eines großen Gralsritters nach dem Etappensieg. Ob das Turnier den Österreichern noch Zeit gibt zu wachsen, entscheidet sich am Montag gegen die Ukraine. Die Zuversicht lebt, in mehreren Varianten. „Wir haben unser Finalspiel, da werden wir da sein“, versprach Franco Foda.
Der Abend war sogesehen ein emotionaler Abschreibposten, bitter, aber buchhalterisch verschmerzbar.
Es war keine Niederlage, die körperlich nachhallt und die Tiefe attackiert.
Das erleichterte den Schlaf.
Ein lichtes Wochenende wünscht