Früher verströmten die Bukos, wie die Bundeskongresse bei den Grünen altstudentisch heißen, eine Aura schöner, wilder Lagerfeuerromantik. Sie waren ein Hort lustvoller Debattierfreude über die Schlechtigkeit der Welt. Jetzt sitzt man mit der Schlechtigkeit in einer Regierung. An der orthodoxen Basis ist das Bild. Es wird den Mitregenten eingetwittert. Das hat Folgen. Aus den Reden quillt eine seltsame, neurotisch anmutende Dauerscham und Selbstrechtfertigung. Das Verquälte wird man in Linz schön hören können: Um das schlechte Gefühl, das der grünen Ministerriege eingeredet wird, zu kompensieren, flüchtet sie in eine schrille Selbstabgrenzung. Das Beste beider Welten gilt nur noch für die eigene. Man lädt sich einen Schuldkomplex auf und arbeitet sich an ihm ab. Die bessere Idee wäre, abzuarbeiten, wofür man gewählt wurde: Abwendung der Klimakrise. Anstatt sich zu freuen, als Debütanten der ersten grünen Regierungsbeteiligung die Möglichkeit zu haben, das, was man am Lagerfeuer beschwor, mit eigener Kraft zu verwirklichen, vergeudet man die Kraft durch das Hirngespinst einer moralischen Mithaftung. Als wüssten die Wähler nicht, wer was gesagt und getan hat.
Die Attitüde des moralisch Reinen im Bund mit dem Unreinen ist anstrengend. Hochhalten lässt sie sich nur mit Theatralik. Sie werde „Einschüchterungen“ ihrer Staatsanwälte nicht dulden, grollte die Justizministerin. Der bizarre Herr Hanger soll fähig sein, Staatsanwälte einzuschüchtern? Naheliegender ist die Gefahr einer gruppendynamischen Verhärtung unter den Korruptionsjägern: dass sie sich durch die Frontstellung, die die Kanzlerpartei enthemmt vorantrieb, in eine emotionale Befangenheit und innere Aufladung drängen lassen. Das wäre das Gegenteil einer Einschüchterung. Auch davor hätte eine Justizministerin die Ankläger zu schützen, wenn sie glaubwürdige Bannerträgerin der Unabhängigkeit sein will. Auch müsste sie nachdenkliche Worte zur Auswertung und Preisgabe personenbezogener Daten aus elektronischen Zwiegesprächen finden. Das Bild einer stillen Stafette, die von der Staatsanwaltschaft mit dem naiven Vermerk „vertraulich“ zu den Parteien und von dort als abstrakt relevante Trophäe zu jagdkundigen Medien führt, darf nicht Brauchtum werden, befeuert vom wohligen Schauer, in die moralischen Hohlräume anderer zu blicken. Hier wird der Gesetzgeber, wenn sich der Rauch setzt, regulierend eingreifen müssen, nicht mit dem Ziel der Verschleierung, sondern um der Schrankenlosigkeit vorzubeugen.
Es wäre ein grünes Thema, wenn nicht die Moral so viel Platz verschlänge. Eine gefährliche Obsession. Die deutsche Grüne Annalena Baerbock zeigt, wie rasch man ihr durch kleine Sünden zum Opfer fallen kann. Wer sich zudem in eine moralische Mithaftung manövriert, riskiert, dass sie schlagend wird. Regierungsbruch bei einer Kanzler-Anklage? Und wenn auf sie ein Freispruch folgt? Dann bliebe das Reine mit sich allein, wie früher, am Lagerfeuer.