Damals in Frankreich gewesen. Alles ein bisschen übermütig. Orban lehnte allein am Stadiongeländer, niemand erkannte ihn oder hatte Lust, ihn zu erkennen. Die Botschafterin hatte Peter Handke mitgenommen. Eine herrliche, frühsommerliche Fiebrigkeit war um einen, und eine große, übers Ziel hinausschießende Erwartung, wie die Wuchtel aus Kindheitstagen, die hoch über den Zaun fliegt.
Dann waren es zwei Momente, die dem Geschehen eine Richtung gaben, eine Richtung, die sich zum unheilvollen Sog verfestigen sollte, alles erst im leeren Blick zurück erkennbar: Alaba, der in einer der ersten Minuten des Spiels gegen Ungarn nicht ins Tor, sondern mit einem prachtvollen Schuss nur die schmale Stange traf. Und dann, nur wenig später, Junuzovic, das spielbestimmende Flüchtlingskind aus Klagenfurt, das verletzt vom Platz musste. Das waren die zwei Pflöcke, die das Schicksal einschlug. Der Fluss war dahin, mit ihm das Spiel, und mit dem Spiel die ganze Reise und das große Sehnen.
Das wird diesmal nicht passieren.
Kein Zuviel an Erwartung, kein Orban. Einfach nur Frühsommer daheim mit weit offenem Fenster. Nichts wird sich gegen einen verbünden. Einer wird treffen und den Bann lösen. Vielleicht werden sie ihn später, im trunkenen Blick zurück, sogar Fluch nennen. Es wird wieder ein Flüchtlingskind aus Bosnien oder Serbien sein, der junge Schlaks Sasa Kalajdzic oder der alte Fuchs Marco Arnautovic, vielleicht lässt Franco Foda gegen sein Naturell und nur, damit das Reden weg ist, ein bisschen übermütig beide von Beginn an spielen, als freche Idee. Und dann wird der Bann gebrochen sein, zuerst die innere und hernach die äußere Sperre, und die frei gewordene Energie wird was machen aus sich und den Spielern, was genau ist nicht so wichtig. Es wird was wachsen und entstehen und nicht, wie damals, ins Gehäuse zurückschrumpfen. Es wird sich gut anfühlen, und vielleicht, wer weiß, überträgt sich was davon sogar aufs wundgescheuerte, gallige, kleine Land.
Valerie Fritsch, unsere Kolumnistin für die heute beginnende Fußball-Europameisterschaft, die wir als leichten, luftigen Sommermantel um die Zeitung hüllen, sagt es so: „Ich freue mich aufs Hinaus und auf den Wahnsinn einer Ausnahmesituation, die keine Gesundheitskrise ist. Ich freue mich, dass die Welt wieder angepfiffen wird.“
Schöne Spiele wünscht