Zu den Dingen, die ich nicht besitze, gehört eine Wohnung in Wien, tunlichst in der Nähe der Veterinärmedizinischen Hochschule, an der unsere Jüngste studiert. Aus diesem Grund muss ich mir von Zeit zu Zeit unseren alten Bus ausleihen, der seit Längerem unserem Benedikt als Firmenwagen gute Dienste leistet. Wir laden dann Sophies Bett und Schreibtisch ein und bringen sie von einer Unterkunft in die nächste. Aus dem winzigen Zimmer im Studentenheim, in dem jegliches Umstyling verboten war, zog sie nach zwei Jahren mit einer Kollegin zusammen. Ihre Wände bemalte sie in Erinnerung an ihr altes Kinderzimmer blitzblau.
Als die Kollegin nach zwei Jahren mit ihrem Freund zusammenzog, übersiedelte Sophie in eine WG mit einem sizilianischen Postler, einer russischen Buchhalterin und einem finnischen Optikerlehrling. Die Wände ihres Zimmers strich sie in zartem Altrosa. Da Sophie zügig studiert und die Ausbildung sechs Jahre dauert, schien die Logisfrage hiermit abgeschlossen. Doch vier Monate später ist auch diese Bleibe Geschichte. Sophie hat sich nämlich Hals über Kopf online verliebt. Obwohl sie eigentlich erst nach dem Sommersemester einen Hund adoptieren wollte – ein speziell gestalteter Kalender über ihrem Bett zeigte noch 118 Tage an –, stieß sie bei einem ihrer virtuellen abendlichen Besuche diverser Tierheime auf einen kleinen Wollknäuel diffuser Herkunft, über dessen fotogenen braunen Knopfaugen sie sämtliche Vorsätze vergaß. Einen Tag später kaufte sie eine Leine, ein Hundebett und reichlich Welpenspielzeug und holte Luis ab.
Meine unverzüglich in die Bundeshauptstadt geeilte Frau betreute den Süßen, der sich in natura als deutlich größer entpuppte, als nach den Fotos auf der Website zu vermuten war, und dessen Pfoten auf ein noch lange nicht abgeschlossenes Wachstum schließen lassen, während der Tage bis zu den Osterferien. Da der chinesische Hausherr entgegen der Vereinbarung nun doch keine Tierhaltung duldet, muss wohl oder übel der alte Bus wieder ausrücken. Für das neue Zuhause sind Wände in Grüntönen angedacht.
Gottfried Hofmann-Wellenhof