Unlängst saß ich in einem Café. Um die Bedienung zu rufen, hatte ich nach alter Gewohnheit schon die Anrede „Fräulein“ auf den Lippen. Gerade noch rechtzeitig unterdrückte ich diesen Impuls. Auf meine Frage, ob ich sie damit gekränkt habe, antwortete die junge Kellnerin lachend: „Aber nein, von den älteren Herren bin ich das schon gewohnt.“ Als meine Frau studierte, hatte der liebenswürdige weißhaarige Ordinarius noch die Gewohnheit, seine in der Regel unverheirateten Hörerinnen mit „Fräulein“ anzusprechen. Das sächliche Geschlecht des Wortes mag ihm wohl unpassend erschienen sein, weshalb er es auf dem Umweg des Artikels wieder ins Weibliche kehrte: „Und die Fräulein B. übersetzt jetzt bitte die Stelle weiter.“
Gottfried Hofmann-Wellenhof