Geschätzte Leserin, geschätzter Leser!
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Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel berät heute Abend mit den Chefs von fünf Internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen über Konsequenzen aus der Corona-Pandemie. Mit ihr am virtuellen Runden Tisch sitzen die Chefs und Chefinnen von WTO, ILO, IWF, OECD und Weltbank. Europa wartet mit Interesse auf die Ergebnisse. Denn Merkel, vor der Pandemie in der EU und in Deutschland als „Auslaufmodell“ abgeschrieben, hat sich mit ruhiger Hand und dennoch mit Wucht als europäische Wortführerin zurückgemeldet. Und bildet gemeinsam mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron wieder ein „starkes Tandem“, so der Titel der Analyse unseres Brüssel-Korrespondenten Andreas Lieb über die deutsch-französische Initiative für ein 500-Milliarden-Euro-Programm zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Europa.

Das mediale Echo in Europa war nahezu überschwänglich, hier passiere „Großes“. Denn Merkel hat mit einer spektakulären Wende überrascht, hat sie sich doch bisher vehement gegen eine gemeinsame europäische Schuldenaufnahme ausgesprochen. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) tut dies nach wie vor. Von den jungen Herren in Wien, Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), kam sofort ein „Nein“ zum Merkel-Macron-Vorstoß. Kurz kündigte einen Gegenentwurf an. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire ging ohnehin von zähen Verhandlungen aus. Es werde eine „schwierige Partie“. Aus Italien gab es postwendende Kritik an den Gegnern des deutsch-französischen Wiederaufbauplans. Denn ohne Unterstützung der EU-Nachbarn geht Italiens Wirtschaft unter, beschreibt unser Rom-Korrespondent Julius Müller-Meiningen die dramatische Lage.

Der italienische Außenminister Luigi Di Maio fand sehr anschauliche Worte für seine Kritik: „In der EU gibt es nach wie vor Länder, die auf ihrem kleinen Zweig sitzen. Sie müssen aber begreifen, dass die EU nicht auf Italien verzichten kann. Wenn ein Baum stürzt, fallen auch die Zweige. Niemand rettet sich.“ In Österreich stellt sich die Frage, warum es sofort ein kategorisches Nein geben muss. Und warum man bzw. die jungen Herren in Wien nicht ergebnisoffen in Verhandlungen eintreten können? Die Eitelkeit wird es hoffentlich nicht sein. Man muss Merkel und Macron dankbar sein, dass sie die europäische Fahne am höchsten halten, an diese Europäische Union glauben und weiter an einem stärkeren gemeinsamen Europa bauen (wollen).