"In Amerikas Supermärkten droht das Fleisch knapp zu werden, weil Schlachthof-Arbeiter am Coronavirus erkranken", schrieb die unaufgeregte Frankfurter Allgemeine Zeitung am vergangenen Mittwoch. "Tyson Foods, einer der größten Schlachthof-Betreiber der Vereinigten Staaten, warnt: Die Versorgung sei nicht gesichert. Fleischfabriken seien gezwungenermaßen geschlossen worden, es fehlten kurzfristig mehrere Millionen Pfund an Fleischprodukten in den Supermärkten. Die Lage ist so ernst, dass Präsident Donald Trump Schlachthöfen auf der Basis eines Kriegswirtschaftsgesetzes die Aufrechterhaltung der Fleischverarbeitung angeordnet hat."
"Fleischnotstand in Amerika" heißt der Artikel, dessen Beginn wir dem Wirtschaftsteil der FAZ entlehnt haben. Anlass für das lange Zitat gab die heimische Debatte über die Frage, ob die Regierung zu Beginn der Krise über Gebühr Angst geschürt hat, um unangemessene Maßnahmen durchzusetzen und ihre Macht auszuweiten.
Der zitierte Artikel schildert, was passiert, wenn gleichzeitig zu viele Menschen krank werden. Er beschreibt nicht Möglichkeiten, sondern Zustände. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie schnell auch andere sensible Bereiche hochkomplexer Staaten ins Wanken geraten können, wenn zu spät Maßnahmen zur Eindämmung einer Seuche ergriffen werden.
Nie hat die Regierung solche Szenarien an die Wand gemalt. Man beschränkte sich darauf, vor drohenden Engpässen in Krankenhäusern zu warnen. Die Gefahr war nicht zu leugnen, es gab Fotos und Berichte aus benachbarten Ländern. Nun scheint ihr der eigene Erfolg auf den Kopf zu fallen. Weil nicht passiert ist, was mit großem, gemeinsamen Einsatz erfolgreich verhindert werden konnte, soll die Warnung davor Spiel mit der Angst gewesen sein?
Vielleicht hilft der kleine Exkurs in die Wirklichkeit, die eher peinliche Debatte zu beenden und, wie Hubert Patterer in seinem Leitartikel rät, neben Schwarz und Weiß auch wieder Grautöne zuzulassen, hofft
Thomas Götz