Es waren 49 Gläubige beim Morgengebet, die nun in zwei Moscheen in Christchurch an der Ostküste von Neuseeland ermordet wurden. An einem Tag starben so mehr Menschen in dem Inselstaat, den man bisher nicht mit Terror in Zusammenhang brachte, als sonst in einem ganzen Jahr gewaltsam getötet werden. Ein gewalttätiger Rechtsradikaler, zum leibhaftigen Ego-Shooter geworden, der einen Akt der Barbarei gegen die ihm stumpf verhassten Muslime setzte.

Als hätte es noch einen weiteren Beweis gebraucht: Der Terror ist längst nicht mehr an einem Kontinent festzumachen oder gar nur in gewissen Ländern zu befürchten. Der jetzt getroffene Staat liegt überaus isoliert – so mancher sucht ihn auf dem Atlas. Doch dieser Schrecken wurde längst global – grausige Parallelen lassen sich ziehen: Der 28-jährige Haupttäter verfasste ein 73-seitiges rechtsradikales "Manifest", ein Pamphlet des Irrsinns, berief sich u. a. auf Anders Breivik, der 2011 auf der norwegischen Insel Utøya am anderen Ende der Welt 77 Menschen tötete. Brüder im Ungeiste – viele Tausende Kilometer und dann offenbar doch nicht weit voneinander entfernt.

Dass der Schütze die gut geplante Tat per Facebook live übertrug, indiziert, dass es ihm um eine maximal grausige Form der Inszenierung für, zumindest theoretisch, Milliarden User "sozialer Medien" ging. Das Gefühl der heilen Welt, eher ein flüchtiges Phantom als begründet, gibt es nun auch in Neuseeland nicht mehr. Der Anschlag wird Folgen haben, er vernarbt das bislang als tolerant und offenherzig geltende Land mit seinen gerade einmal fünf Millionen Einwohnern. Regierungschefin Jacinda Ardern betonte, wofür ihre Heimat stehe: Güte, Mitgefühl und Diversität.

Die Sozialdemokratin, die mit der Mitte-rechts-Partei "New Zealand First" koaliert, zog zugleich eine Linie, die zuletzt zunehmend sichtbar wurde, noch deutlicher nach. Für Menschen mit Hassgedanken, wie es der gebürtige Australier, der nach Neuseeland einreiste, war, sei das Land "kein sicherer Hafen mehr". Das bedeutet: Die "stolze Nation", die 200 Ethnien mit 160 Sprachen vereinen will, wird Einwanderung streng kontrollieren. "Leute, die ich als Anhänger extremistischen Gedankenguts bezeichnen würde, haben keinerlei Platz in Neuseeland und tatsächlich auch nicht auf der Welt", sagte Ardern, ohne dabei beispielsweise zwischen Rechtsradikalen oder Salafisten zu differenzieren.

Dem Massaker von Christchurch, bei dem das Pendel nun von rechts kommend zuschlug, werden andere folgen. Den Terror als fast nirgendwo mehr auszuschließendes Verbrechen zu sehen, fällt dem Menschen schwer. Das Kalkulierbare, Wegzuschiebende liegt uns erfahrungsgemäß näher. Doch der Vielfrontenkampf gegen den Terror muss global erfolgen, er ist Symptom des 21. Jahrhunderts. Es gilt, in jeder Hinsicht schneller als Extremisten zu werden – was, ob der vielfältigen Formen der Radikalisierung und Motive, zu einer der größten Herausforderungen unserer Zeit geworden ist.