Die Wahl schneidet tief hinein in die politische Landschaft des Landes und kartografiert sie neu. Österreich ist seit gestern ein deutlich rechts gerichtetes Land mit konservativ-nationaler Grundierung. Der mutmaßliche Abschied der Grünen aus dem Parlament festigt das Bild. Das Land hat ein neues Antlitz. Katalysator der Machtverschiebung war die Migrationsfrage. Obwohl die Zahl der Asylanträge seit Langem rückläufig ist, bleibt es für viele Bürger ein Thema, das noch immer ihr Fühlen und Denken beherrscht. Es trifft unvermindert ihren Nerv. Die Wähler stärkten und honorierten sowohl die ÖVP, von Sebastian Kurz auf CSU-Kurs gebracht, als auch die FPÖ. Schmiedl und Schmied erhielten an diesem denkwürdigen Tag gemeinsam fast sechzig Prozent der Stimmen. Da sich beide deckungsgleich über die Ausländerfrage definierten und über diese inhaltliche, obsessive Festlegung auch der hohe beiderseitige Zuspruch erfolgte, hat ein schwarz-blaues Bündnis die größte Wahrscheinlichkeit. Und die größte innere Logik.
Sebastian Kurz ist der klare Sieger der Wahl, die er im Frühsommer mit der Aufkündigung der rot-schwarzen Koalition heraufbeschworen hat. Zum ersten Mal wurde ein Sprengmeister belohnt und nicht bestraft. Kurz ist der erste ÖVP-Spitzenkandidat, der einen amtierenden SPÖ-Kanzler bezwingen konnte. Das wird ihm weiter monarchische Machtfülle und kultische Verehrung in der Partei sichern. Mit 31 Jahren hat Kurz alle Trümpfe in der Hand, jüngster Regierungschef Europas zu werden. Er verdankt den Triumph seinem Talent, der Jugend, der konsistenten Haltung in der Flüchtlingsfrage, einem skrupelfrei populistischen Instinkt sowie einem professionell umgesetzten strategischen Plan, der vorsah, den Kandidaten lange vor dem Wahlkampf als politische Einzelmarke aufzubauen. Diese hat sich vom Regierungskabinett ebenso entkoppelt wie von der Partei. Als vermeintlich Parteiferner mit oppositioneller Attitüde, als Politiker der anderen Art hat Kurz den Wunsch nach Neuem, nach Wandel und Veränderung am wirkungsvollsten bedient. Jetzt muss er den hohen Erwartungen gerecht werden – noch dazu mit einem schwierigen, fordernden Partner, der Reifung und Mäßigung erst unter Beweis stellen muss, eine Prüfung für alle Beteiligten, auch für das gewendete Land und seinen Ruf.
Und der Kanzler? Christian Kern wird das Amt nach kurzer Zeit wieder abgeben müssen. Zu groß ist der Abstand zum Wahlsieger, um Rot-Blau zu legitimieren und ernsthaft zu denken. Das unterscheidet die jetzige Situation vom Schüssel-Coup des Wendejahres. Die Partei wird Kern nicht in die Verbannung schicken, in Anbetracht des selbst verschuldeten Ungemachs ist das Ergebnis schmerzlich, aber eigentlich achtbar. Es ist noch immer Faymann plus, und es lässt erahnen, was möglich gewesen wäre. Jetzt muss Kern als führende Stimme der Opposition im Parlament das Visavis zur Macht sein. Teil der Lebensplanung des Managers war es nicht.