Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!

Er wirkt wie ein gutmütiger Opa, der im Strandbad schon einmal ein Auge zudrückt, wenn die Enkelkinder unbedingt noch ein weiteres Eis wollen. Wenn der Mann mit dem freundlichen Blick mit ruhiger Stimme doch einmal nein sagt, wissen sie aber, dass Widerstand zwecklos ist. In der ZiB2 am Sonntagabend blickte der 73-jährige Christoph Badelt freundlich, richtete den wahlkämpfenden Parteien in Österreich jedoch höflich aus, was er von deren wirtschaftspolitischen Vorschlägen hält. „Ein Großteil der Versprechungen, die die politischen Parteien machen, sind unseriös und nicht realistisch“, sagt der Volkswirt, der seit 2021 den Fiskalrat leitet, der über Österreichs Finanz- und Schuldenpolitik wacht.

Das Bild der Wirtschaftslage in Österreich sei derzeit „nicht berühmt“, die finanzielle Lage der öffentlichen Hand „wirklich nicht gut“, so Badelt. 2 bis 2,5 Milliarden Euro pro Jahr müsse Österreich in den nächsten Jahren jährlich einsparen, um das Defizit in den Griff zu bekommen. Entgegen den Versprechungen der Parteien werde deshalb nach der Wahl „Budgetkonsolidierung“ an erster Stelle stehen müssen, das werde „nicht leicht“ sein, sagt Badelt, der 13 Jahre lang Rektor der Wiener Wirtschaftsuniversität und vier Jahre lang Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts war. „Man wird zu unpopulären Maßnahmen greifen müssen.“ Zu argumentieren (wie es zuletzt Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und FPÖ-Chef Herbert Kickl getan haben), dass man mit Wirtschaftswachstum Spielräume schaffen und sogar zusätzliche Ausgaben finanzieren könne, sei unseriös. „Nicht einmal mit einem chinesischen Wachstum“ würde das gelingen. Der Effekt von etwa 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum sei in den Budgetprognosen schon einberechnet, „das können sie ja nicht zweimal verkaufen“.

Badelt kritisiert, dass sowohl FPÖ als auch ÖVP den Eindruck erwecken, dass man bei der Mindestsicherung für Ausländer relevante Summen sparen könne. „Die gesamte Mindestsicherung kostet rund eine Milliarde und der Beitrag für Asylberechtigte ist nur ein Teil davon“, sagt der auf Sozialpolitik und -management sowie die Errungenschaften des Wohlfahrtsstaates spezialisierte Wirtschaftsforscher. „Hier wird einfach nicht seriös argumentiert und ich glaube, das wird die Politikverdrossenheit stärken.“ Mit Forderungen nach Vermögens- und Erbschaftssteuern und einer Erhöhung der Körperschaftssteuer sei die SPÖ mit Blick auf die Gegenfinanzierung am konkretesten, „aber das befreit die SPÖ auch nicht von der mangelnden Seriosität“, so Badelt. Die Zahlen bei der Vermögenssteuer seien nicht realistisch, das Geld für zusätzliche Ausgaben zu verwenden, sorge auch für keinen Abbau des Milliardendefizits. Einen „Verdacht der Unernsthaftigkeit“ angesichts der Forderungen nach zusätzlichen kostenlosen staatlichen Leistungen ortet Nationalratspräsidentin Doris Bures bei ihrem Parteichef Andreas Babler, was derzeit für heftige Diskussion in der SPÖ sorgt.

Eine Senkung der Lohnnebenkosten, die in der politischen Debatte immer wieder gefordert wird, sei grundsätzlich zu begrüßen, sagt Experte Badelt in der ZiB2, habe aber „nicht wirklich entlastende Wirkung für das Budget“. Eine Senkung der Lohnnebenkosten lasse „eine Lücke offen“, so müsste etwa „beim Familienlastenausgleich das Geld wieder aus dem Budget kommen – das ist letztlich ein Nullsummenspiel“. Bei einer Senkung der Sozialbeiträge müsse man „das bestehende Defizit der Kranken- und Pensionsversicherung ersetzen oder Leistungskürzungen im dramatischen Ausmaß vornehmen“.

Die CO2-Bepreisung in Österreich bringt derzeit 1,5 Milliarden Euro im Jahr, eine von Kickl geforderte Abschaffung „geht EU-rechtlich gar nicht“, sagt Badelt, der aber diesbezüglich einen Vorstoß wagt. Die 1,5 Milliarden Euro fließen derzeit in den Klimabonus, den man für einige Jahre aussetzen könnte. „Der Klimabonus wird von den Menschen nicht als Kompensation für höhere Benzinpreise wahrgenommen“, würde es diesen nicht mehr geben, „würde das der Bevölkerung nicht sehr auffallen“.

Badelts abschließender Appell: „Die Parteien sollten ehrlich sein. Sie sollten sagen, dass wir die Ausgabendynamik bremsen müssen. Es ist nicht realistisch, große Abgabensenkungen in der näheren Zukunft durchzuführen.“ Und: „Nach den Wahlen wird ganz etwas anderes passieren müssen, als jetzt versprochen wird“, sagt Badelt. Immerhin das hat ja in Österreich Tradition.

Einen stabilen Wochenstart wünscht
Wolfgang Fercher