Geht es Ihnen in diesen Tagen und nach der gestrigen ORF-Runde mit den Spitzenkandidaten vielleicht wie dem SPÖ-Urgestein Hannes Androsch oder anderen Wählern und Wählerinnen, die trotz jahrelanger Parteizugehörigkeit nicht wirklich wissen, wen sie diesen Sonntag wählen sollen? Sie dürften mit ihrer Unschlüssigkeit keine Ausnahme sein. Selbst wenn Ihr Urteil vielleicht nicht ganz so vernichtend ausfällt wie jenes von Hannes Androsch über seine Partei und andere Parteien. Mit Ausnahme der Neos wären die Parteien, sagte er soeben, entweder mehr oder weniger Europa- und NATO-feindlich oder eben überhaupt nicht ernst zu nehmen. Ein Urteil, das diesem sozialdemokratischen Schwergewicht mit Sicherheit schwergefallen ist.

Die gestrige Elefantenrunde im ORF wird an seiner Einschätzung kaum etwas geändert haben. Zumal es über weite Strecken vor allem um die Rettung des Klimas ging, aber die ebenso wichtige Rettung des Wirtschaftsstandortes Europa im Wettbewerb gegen die USA und China wie auch die Bedeutung des EU-Binnenmarktes nahezu keine Rolle spielten. Kein Thema war auch die jüngste Forderung des französischen Präsidenten, das EU-Budget der Jahre 2021 bis 2027 von aktuell 2,07 Billionen Euro zu verdoppeln sowie gemeinsam Schulden aufzunehmen. Eine Forderung, die zwar aktuell keine Chancen hat, aber eine, die bleiben wird. Andererseits muss man fast wieder froh sein, dass darüber nicht gesprochen wurde. Es wäre eine entbehrliche Steilvorlage für jedes Bashing gegen die EU gewesen. Immerhin würden Eurobonds bedeuten, dass der Bonitätsindex von Ländern wie Deutschland, Holland oder Österreich am Ende des Tages auf dem Spiel stehen würde.

Was an diesem Abend aber überraschte? Dass der ORF noch über eine Spitzenmoderatorin verfügt, die kompetent und souverän und ohne provokante Seitenhiebe eine Elefantenrunde moderieren kann. Brüssel-Korrespondentin Raffaela Schaidreiter zeigte, wie auch im ORF professioneller, unabhängiger Journalismus ablaufen kann.

Wie Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni ihren EU-Wahlkampf führt, beschreibt in unserer heutigen Ausgabe Kollege Julius Müller-Meiningen. Und er erklärt, warum das Versprechen auf den Wahlplakaten „Mit Giorgia verändert Italien Europa“ trotz der nur 76 Abgeordneten durchaus in Brüssel seinen Niederschlag finden könnte. Wie Meloni mit ihrer Kritik, dass die Linke Europa zu einem Ersatz des sowjetischen Dirigismus, in ein Bürokratiemonster, verwandeln wolle, nicht nur Applaus von Rechtspopulisten erhalten dürfte.