Die Weltgeschichte ist voll von bemerkenswerten Zufällen. Da unter den routinemäßig zur Eröffnung der Berlinale geladenen Kultursprechern der Parteien auch gewählte AfD-Mandatare waren, verfassten Filmschaffende ein Protestschreiben, das die Festivalleitung bewog, die missliebigen Abgeordneten wieder auszuladen. Die Begründung dafür lautete, dass sich jüdische Menschen in Anwesenheit der Rechtsaußen-Politiker nicht sicher fühlen könnten. Nahezu zeitgleich wurde ein jüdischer Student der Freien Universität Berlin von einem propalästinensischen Kommilitonen krankenhausreif geschlagen, nachdem schon zuvor in sozialen Netzwerken eine Hetzkampagne gegen ihn gestartet worden war. Die Universitätsleitung reagierte sehr zögerlich, murmelte zuerst sogar etwas von Meinungsfreiheit. Man hat verstanden: Die Anwesenheit von zwei oder drei AfDlern inmitten von Hunderten antifaschistischen Künstlern ist bedrohlich, die brutale physische Gewalttat von linken Antisemiten ein Ausdruck des offenen Diskurses. Wir messen gerne mit zweierlei Maß.
Konrad Paul Liessmann