Bei Ihrer Morgenpostlerin tagt nun häufiger der Familienrat. Die nächste Generation hat das anstrengende Alter erreicht, in dem sie Vorgaben der Eltern nicht einfach unter Geraunze zur Kenntnis nimmt, sondern überlebenswichtige Parameter wie den Schokoladeverbrauch oder ihre Bildschirmzeit argumentativ ausstreiten will. Um den Zugriff auf Tablet oder TV zu erweitern, lassen die zwei Antragsteller nichts unversucht – sie laufen gegen jede Gesetzeslücke Sturm, wollen sich mit Aufräumen oder Flötenüben vergleichen und drohen am Ende mit der Anrufung des großelterlichen Höchstgerichts. Dass zugestandene Zusatzminuten mitunter in Merkwürdigkeiten wie Erklärvideos zur Wackelpudding-Produktion oder Clips mit singenden Schweinen fließen, schmerzt, ist aber noch leichter zu verkraften als die Aussicht auf den nächsten „Entwicklungsschritt“: Das Ergründen der Handy- und Social Media-Welt. Vielleicht noch zwei, drei Jahre Schonfrist, um den Nachwuchs darauf vorzubereiten, dass man in sozialen Netzwerken zwar immer mehr KI-Models ohne Pickel und echte Gefühle finden, aber auch ganz schön viele Meinungen mit ziemlich wenig Ahnung bewundern kann. Darauf vorzubereiten, dass Mutproben kein durchtriebener TikToker, sondern das Leben abverlangt. Und darauf, dass Selbstwert nicht zwingend auf dem Sammeln von Likes basiert.