Die gewundene Sprache des Dokuments lässt darauf schließen, dass seine Abfassung den Hütern der katholischen Lehre nicht leichtgefallen sein muss. Für diese These spricht, dass die überraschende Nachricht als 31. von insgesamt 45 Punkten in einer langatmigen Grundsatzerklärung zu Segnungen versteckt wurde. Vom Präfekten der Glaubenskongregation unterfertigt, wurde sie vom Presseamt des Heiligen Stuhls gestern zu Mittag im täglichen „Bolletino“ verschickt.
Vielleicht sollte das demonstrative Business as usual ja signalisieren, dass man die brisante Angelegenheit nicht zu hoch hängen will. Oder es ist ganz im Gegenteil ein Stilmittel, um die Neuigkeit umso sensationeller erscheinen zu lassen. Man kennt das vom Vatikan. Benedikt XVI. hielt seine Rücktrittsrede 2013 auf Latein, sodass die meisten Anwesenden nicht die Revolution überlauerten, die sich da gerade ankündigte.
Nicht ganz so revolutionär, aber ein spektakulärer Bruch mit der römischen Tradition ist es, dass die katholische Kirche künftig die Segnung homosexueller Paare erlaubt. Darin eine radikale Kehrtwende zu sehen, ist nicht übertrieben. Schließlich sah die katholische Kirche „homosexuelles Tun“ bisher als offenen Widerspruch zu Gottes Schöpfungsplan und folglich als sündhaft an. Und diese Sündhaftigkeit schloss schwule und lesbische Paare kategorisch von Segenshandlungen aus.
So die Theorie. In der gelebten Praxis der Ortskirchen verhält es sich schon seit Langem anders. Fast jede Diözese in Österreich hat heute eine eigene „Regenbogenpastoral“, die homosexuellen Menschen vermitteln soll, dass sie in der Kirche willkommen sind und ernst genommen werden. Gottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare, die auch Segnungen einschließen, sind vielerorts Normalität. Dass der Vatikan nun von seiner unnachgiebigen Linie abrückt, kann auch so gedeutet werden, dass Rom sich nicht länger gegen diese Wirklichkeit sperrt.
Dieses Bemühen lässt Papst Franziskus seit geraumer Zeit erkennen. Erst im Herbst hat er angedeutet, dass er die Segnung homosexueller Paare nicht prinzipiell ablehnt. Wer sei er, Menschen, die Gott um Hilfe bitten, die Tür zu weisen, meinte er. Die neue Erklärung macht diese jesuanische Haltung nun amtlich. Sie fügt sich in den von Franziskus eingeschlagenen Weg einer langsamen Veränderung der Kirche durch Irritation. Denn eines ist gewiss: Das Novum wird den Zorn aller Traditionalisten nähren, die die Aufweichung der katholischen Lehre fürchten.
Zur findigen Art des argentinischen Papstes, die Dinge voranzutreiben, gehört es daher, die Brüche nicht zu radikal ausfallen zu lassen. Wäre das der Fall, drohte eine Spaltung der Kirche. Ausdrücklich ließ Franziskus daher im Dokument festschreiben, dass ein Segen für gleichgeschlechtliche Paare nicht an eine Hochzeit erinnern dürfe. Das Ehesakrament bleibt Mann und Frau vorbehalten. Theologisch bleibt alles beim Alten. Genau genommen handelt es sich also um eine Kehrtwende auf symbolischer Ebene. Die hat es aber in sich.