Schöne Feierstunde im Oratorium der Wiener Nationalbibliothek, einem gewölbten Ort also, wo einmal gebetet worden sein muss. Eine Art Andacht auch gestern. Konrad Paul Liessmann, der leidenschaftliche Inventionist, erhielt das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, für das herleitbar Wahre also und für das, was über die Wirklichkeit hinwegtröstet. Liessmann hat Beides drauf. Michael Köhlmeier, der Erzähler, „spannungsreiche Freund“ und Lobredner, nannte den Rhetoriker Liessmann einen lupenreinen Jazzer, einen Charlie Parker der Philosophie. Beim Philosophicum in Lech treten beide als Doppel auf. Köhlmeier trägt „minutiös vorbereitet“ eine Erzählung vor, Liessmann deutet und vertieft sie spontan, minutiös unvorbereitet. Ihm, Köhlmeier, würde das Publikum brav zuhören, bei Liessmann hänge es an dessen Lippen.