Im Radio war man mit der Etikettierung schnell zur Stelle. Mit Javier Milei habe nun auch in Argentinien ein Anarchokapitalist und ultraliberaler Rechtspopulist die Wahl gewonnen. Unüberhörbar schwang bei der journalistischen Einbegleitung des Beitrags ein paternalistischer Grundton mit, der von einem tiefen Unverständnis getragen ist - nach dem Motto: Wie könnt ihr, liebe Argentinierinnen und Argentinier, so einen Wahnsinnigen zum Präsidenten küren? Habt ihr nichts kapiert? Ihr werden eure Entscheidung noch tief bereuen.
Trifft die Zuschreibung Rechtspopulist überhaupt zu - ein Begriff, der geeignet ist, im Zeitalter der Unübersichtlichkeit schnell zwischen gut und böse zu unterscheiden? Andere, denen man gern das Etikett umhängt, Marine Le Pen, Giorgia Meloni oder Herbert Kickl, wollen im Unterschied zum Argentinier unter keinen Umständen den Sozialstaat komplett aushebeln, profitiert doch die eigene Klientel auch davon. Vielleicht ist die Welt doch vielschichtiger.