Der großartige Nachbar, der mit peniblem Blick Beistrichfehler und sprachliche Unzulänglichkeiten (30-jährliches, nicht 30-jähriges Hochwasser!) in unseren Texten aufspürt, ist auch inhaltlich ein präziser Beobachter. Als ich kürzlich einen Kommentar über die fragwürdige Messerschleifaktion der FPÖ im Zuge ihrer Heimattour verfasste, konstatiert der Nachbar mittels Textnachricht nüchtern: „Die Blauen sind in ihrer konsequenten – und alles andere als gedankenlosen – Provokation wirklich schwierig anzupacken. Reagiert man nicht, wird Unsägliches schleichend salonfähig und man übersieht bzw. toleriert gefährliche Entwicklungen. Reagiert man angemessen, erlangen sie rumpelstilzig die provozierte Aufmerksamkeit.“ Der Nachbar schließt mit einem etwas ratlosen „Damned if I do, damned if I don’t.“ Verdammt, wer Jenseitigkeiten thematisiert – verdammt, wer es nicht tut. Eine Zwickmühle, in der sich Medien (nicht nur mit Blick auf die FPÖ) seit Jahrzehnten befinden.
An der zitierten „rumpelstilzig provozierten Aufmerksamkeit“ ergötzte sich FPÖ-Chef Herbert Kickl bei einem „Heimattour“-Auftritt in Kärnten am Freitag, indem er zu Beginn seiner Rede minutenlang gegen die Kleine Zeitung vom Leder zog. Die Kritik an der Symbolwirkung eines Aufrufs an die Besucher, stumpfe Messer zu der Veranstaltung mitzubringen und sie vor Ort schleifen zu lassen, war in den Reihen der Freiheitlichen kein Anlass, Selbstreflexion zu betreiben. Ganz im Gegenteil – da schon lieber die gewohnte Schelte von Medien, die „so einen Schmarrn zusammenschmieren“, „nicht ganz bei Verstand“ seien, „verzweifelt oder verbittert“ seien. Aber zum Glück könne man ja mit einer frisch geschliffenen Schere „eine Zeitung zerschnipseln, die nur Blödsinn schreibt“.
Das Diskreditieren kritischer journalistischer Arbeit ist, wie verbales Messerwetzen, stets Teil des politischen Handwerkzeugs der Freiheitlichen gewesen – freilich finden auch andere Parteien manchmal Gefallen daran. Dass der Kärntner FPÖ-Chef Erwin Angerer im Zuge der Veranstaltung am Freitag ankündigte, Landesrätin Beate Prettner (SPÖ) im Landtag „herzuprügeln“, sorgte für einen Sturm der Entrüstung. Gezielte Provokation oder Gedankenlosigkeit? Selbst im Nachhinein findet Angerer seine Wortwahl nicht unpassend – die politischen Mitbewerber würden hier für eine „Skandalisierung“ sorgen. „Wenn nach einem verlorenen Fußballmatch die Spieler im Interview erklären, dass sie wieder ordentlich Prügel bekommen hätten, ist damit natürlich auch keine Massenschlägerei gemeint, sondern eine sportliche Auseinandersetzung“, ließ Angerer als hanebüchene Rechtfertigung im Nachhinein wissen – anstatt sich mit Worten des Bedauerns zu entschuldigen. Die wenigen Frauen in der FPÖ können sich ob einer solchen Diktion dieser Tage nicht gut fühlen.
In ihren Reaktionen haben auch politische Mitbewerber danebengegriffen. „Man bedenke auch: Das ist jene FPÖ, deren Kommunalpolitiker diese Woche seine Frau ermordet hat“, schrieb der Kärntner SPÖ-Landesgeschäftsführer Andreas Sucher auf Facebook. Eine Querverbindung zu einem Einzelfall – ähnlich unpassend wie die Wortwahl der FPÖ.
Einen sachlichen Wochenstart wünscht Wolfgang Fercher