In kaum einer anderen europäischen Großstadt konnte die jüdische Bevölkerung in den letzten Jahren ein so angstfreies Leben führen wie in Wien. Während nicht nur in Paris, Brüssel, London, sondern seit längerem auch schon in Berlin und München (!) die Kultusgemeinden ihren Mitglieder dringend nahegelegt haben, in der Öffentlichkeit auf das Tragen der Kippa zu verzichten, prägen in einigen Vierteln der Leopoldstadt orthodoxe, strenggläubige Juden das Straßenbild. An Festtagen eilen sie mitunter im Pelzhut in die Synagoge. In der Morgenstunden kurven die Kinder mit dem Scooter in die Schule, in so manchen Innenhöfen der Leopoldstadt wird das Laubhüttenfest tanzend und singend gefeiert. Und am jüdischen Neujahrstage versammeln sich Gruppen zum Taschlich am Donaukanal, um sich der letzten Krümel, die in den Taschen noch vorzufinden sind, zu entledigen.