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Wenn Sebastian Kurz morgen die Fragen des Richters über seine Aussagen im U-Ausschuss im Jahr 2020 beantworten wird, ist zunächst gewiss: Ruhmesblatt für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist es keines, dass sie nach der Anzeige der SPÖ und der Neos Jahre für diese Anklage benötigte. Eine Anklage über recht überschaubare Aussagen des Ex-Kanzlers im Juni 2020. Zumindest: Es bedarf weder einer besonderen intellektuellen Akrobatik noch einer gutachterlichen Einschätzung, um die getätigten Aussagen verstehen zu können. Wie jene, als er im U-Ausschuss auf die Frage nach seiner Involvierung bei der ÖBAG-CEO-Bestellung sagte: „Ich habe immer gewusst, dass Schmid potenzieller Kandidat ist, aber ich habe die Entscheidung nicht getroffen, sondern der Aufsichtsrat hat sie getroffen.“

Eine vorsätzliche Falschaussage - oder nicht? Zunächst einmal ist es eine „No-na-Aussage“. Dass der Aufsichtsrat entscheidet, liegt auf der Hand. Bleibt die Frage, ob der Ex-Kanzler zuvor dem Aufsichtsrat einen Wunschkandidaten ans Herz gelegt hat. Womit die Aussagen des Aufsichtsrates entscheidend sein werden.

Mit Sicherheit wird die WKStA bei diesem Prozess eines unterlassen: die selektive Präsentation von Chats. Da wird die Rüge des Oberlandesgerichtes Wien im Prozess gegen Heinz-Christian Strache nachwirken. Jene Ohrfeige, die der Richter in zweiter Instanz dem Staatsanwalt der WKStA erteilte. „Wenn man Ihnen zugehört hat, käme man schnell zu einer Verurteilung. Aber hier wurden einige Nachrichten selektiv herausgegriffen. Viele vorher und nachher nicht. Da entsteht ein völlig anderer Eindruck“, rügte er den Staatsanwalt und bestätigte den Freispruch von Strache. 

Staatsanwälte sind bekanntlich ebenso wie das Gericht zur Objektivität verpflichtet. Würde ein Staatsanwalt bewusst vorsätzlich Chats selektiv auswählen, wäre es Amtsmissbrauch. Auf dieser Schiene möchte offensichtlich Kurz mit seinem Verteidiger fahren und hat vorsorglich bereits in seiner Gegenäußerung zum Strafantrag der WKStA „politisch motiviertes Vorgehen“ vorgeworfen.

Womit die WKStA besonderes Augenmerk darauf legen wird, derartigen Verdächtigungen keinen Stoff zu bieten. Zumal sie den Vorwurf von Kurz aus dem Jahr 2020 nicht vergessen haben dürfte. Damals hat er in einem Hintergrundgespräch die WKStA als „Netzwerk roter Staatsanwälte“ attackiert. Wobei das aktuelle Verfahren wohl ohnehin nur das Vorspiel zu jenem Prozess gegen Kurz sein wird, bei dem es wegen des Verdachts der möglichen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit voraussichtlich um weit mehr gehen wird als eine mutmaßliche Falschaussage.

Ob Freispruch oder Schuldspruch ist ungewiss, gewiss ist aber nach diesem Verfahren wie auch den in den letzten Wochen bekannt gewordenen profitablen Schrebergärten-Umwidmungs-Geschichten mancher Wiener SPÖ-Mandatare der Hauptprofiteur dieser für eine Demokratie toxischen Zumutungen: Herbert Kickl braucht nur mehr ruhig wie ein Fischer am Ufer sitzen und kann sich freuen über Platz 1 in allen Umfragen.

Eine spannende Lektüre über den ersten Prozesstag, über den Kollegin Christina Traar in unserer heutigen Ausgabe ausführlich berichtet, wünscht Ihnen

Carina Kerschbaumer
carina.kerschbaumer@kleinezeitung.at