Mit perfekt gestylten Haaren und Blümchenkleid inszenieren sich Tradwives auf den sozialen Medien als die perfekte Hausfrau. Mit ihren Koch- und Backvideos erobern sie die Instagram- und TikTok-Welt. Ihr Vorbild scheint die Frau der 50er Jahre zu sein. Der bekannte Dr. Oetker-Werbeslogan aus den 50ern zeigt, welches Frauenbild damals noch herrschte: „Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“.
Ursprünglich stammt die Trendbewegung aus den USA, stößt aber seit ungefähr drei Jahren auch im deutschsprachigen Raum auf großes Interesse. Eine der wohl bekanntesten deutschsprachigen Stay-at-home Girlfriends ist die 27-jährige Carolina Tolstick, die unter dem Instagram Namen „xMalischka“ Videos aus ihrem Alltag als Hausfrau teilt. Auf Instagram erreicht sie rund 21.700 Follower (Stand Juli 2024).
Aber was daran könnte problematisch sein? Die Videos zeigen liebende Frauen, die sich um Kind(er) und Partner kümmern. Auf den ersten Blick scheint das unpolitisch zu sein, aber was man nicht sieht: „Tradwives verstecken hinter ihren unterhaltsamen Videos antifeministisches und rechtspopulistisches Gedankengut“, erklärt Judith Götz, Forscherin an der Universität Innsbruck im Bereich Antifeminismus und Rechtextremismus.
Das traditionelle Familienbild der Rechtspopulisten
Das traditionelle Frauenbild kennt man nicht nur aus den 50er Jahren, sondern auch aus rechtspopulistischen Kreisen. Parteien wie die FPÖ bekennen sich öffentlich immer wieder zur traditionellen Familie aus Mann, Frau und Kindern. Diese sei laut FPÖ-Wahlprogramm “die natürliche Keimzelle einer funktionierenden Gesellschaft”. Götz sehe eindeutige Parallelen zwischen “rechtsextreme Spektren und Tradwives”, da beide Ideologien die Rolle der Frau darauf reduziere, Kinder zu gebären und sie großzuziehen.
Auch die deutsche rechtspopulistische AfD, die ähnliche Werte wie die FPÖ vertritt, ist für ihre frauenfeindlichen Äußerungen bekannt. Ein Instagram Post der AfD Sachsen erntete im Oktober 2022 viel Kritik. Zu sehen ist eine überspitzte Gegenüberstellung einer Feministin und einer traditionellen Frau.
Der Begriff “Tradwife” stammt ursprünglich aus der rechtsextremen Szene der USA, unter anderem aus der ultrarechten Alt-Right-Bewegung, welche Konservatismus und Rechtsextremismus miteinander vereint.
„Tradwives bringen diese Ideologie der Rechten an die breite Bevölkerung, ohne als politische Akteure wahrgenommen zu werden“, sagt Götz. Sie beobachtet die Trendbewegung schon seitdem die ersten Videos in den USA viral gingen.
Gibt es feministische Hausfrauen?
Eine Frage, die bei der ganzen Diskussion rund um Tradwives immer wieder gestellt wird, lautet: Ist Hausfrau-Sein denn per se antifeministisch? Einige Tradwives wehren sich auf den sozialen Medien gegen diese Vorwürfe. Sie würden sich immerhin selbstbestimmt und ohne äußeren Zwang für diesen Lebensstil entscheiden.
Die Antifeminismus-Expertin Judith Götz widerspricht dem, denn „unsere Entscheidungen sind niemals gänzlich frei und selbstbestimmt, sondern sehr stark geprägt von gesellschaftlichen Zwängen”. Die vermeintlich selbstbestimmte Entscheidung dieser Frauen hat auch damit zu tun, “wie wir in unserer Kultur sozialisiert sind, was wir von unseren eigenen Eltern erlebt haben, aber auch, was uns als Kinder schon vermittelt wird”.
Bei Tradwives und Stay-at-home Girlfriends liege die Problematik vor allem darin, dass sie ihre Ideologien öffentlich auf den sozialen Medien verbreiten. Sie machen unbezahlte Sorgearbeit (auch Care-Arbeit genannt) für junge Frauen ästhetisch ansprechbar und blenden dabei jegliche Gefahren aus, die eine traditionelle Beziehung potenziell mit sich bringen könne.
Die Gefahren des Hausfrauenlebens
Das Lebensmodell einer Tradwife scheint simpel zu sein: Die Frau kümmert sich um ein liebevolles Zuhause und der Mann geht im Gegenzug arbeiten. Die Sache hat allerdings einen Haken: Laut Götz bestehe die Gefahr, dass eine finanzielle und emotionale Abhängigkeit vom Mann entstehen könnte.
Die Psychotherapeutin Barbara Schrammel berät seit mehr als 10 Jahren Frauen, die sich nach jahrelanger Ehe von der finanziellen Abhängigkeit des Mannes lösen wollen. Aus ihrer Praxiserfahrung kann sie bestätigen, dass diese Abhängigkeitsbeziehung oftmals für massive Probleme sorge. Im Falle einer Scheidung stünden die Frauen dann “vor den Trümmern ihrer Existenz”. Sie hätten kein Erspartes, kein fixes Einkommen und jahrelang nicht in die Pensionsversicherung eingezahlt. Diesen finanziellen Verlust könne die Frau im schlimmsten Fall nicht mehr aufholen, weshalb die Gefahr der Altersarmut sehr groß sei.
Frauen haben “enormen Mental Load”
Tradwives inszenieren sich in ihren Videos als die perfekte Hausfrau. Während sie in Blümchenkleid den ganzen Haushalt schmeißen und sich nebenbei noch um die Kinder kümmern, haben sie abends noch Zeit für ein aufwändiges Abendessen inklusive selbstgemachten Kuchen. Währenddessen haben sie immer ein Lächeln auf den Lippen und wirken nie gestresst. Die meisten Mütter können wahrscheinlich bestätigen, dass das nicht der Realität entspricht. Schrammel berichtet aus ihrer Erfahrung als Frauenberaterin, dass die „Ansprüche an eine Frau durch solche Videos massiv steigt“. Das unrealistische Bild und der vermeintliche Perfektionismus, der durch Tradwives auf den sozialen Medien transportiert werde, löse bei vielen Frauen Leistungsdruck aus.
Abgesehen davon müsse man sich das Hausfrau-Sein überhaupt erstmal leisten können, denn „nicht alle Frauen haben überhaupt die Möglichkeit, sich für so ein Modell zu entscheiden. Das betrifft eine sehr privilegierte Schicht, wo es überhaupt möglich ist, dass die Frau zu Hause bleiben kann und nicht arbeiten gehen muss“, sagt Götz.
Die Realität sähe nämlich ganz anders aus: Viele Frauen würden nun mal Vollzeit arbeiten und sich zusätzlich auch um Haushalt und Kinder kümmern. Das bedeute “eine Doppelbelastung für Frauen. Der Mental Load einer Mutter ist enorm”, stellt Schrammel klar. Eine Studie des BKAs zeigt, dass Frauen in den vergangenen Jahren zwar verstärkt mehr arbeiten, Männer jedoch im Gegenzug nicht mehr Sorgearbeit übernehmen.
Auch für Männer könne dieses tradierte Rollenbild übrigens eine große Belastung darstellen, betont Götz im Interview mit der Kleinen Zeitung. Der einzige Familienernährer zu sein und immer stark sein zu müssen, bedeute viel emotionalen Stress und in den schlimmsten Fällen auch Suizidgefahr. Die Suizid Prävention Austria berichtet, dass Männer drei- bis viermal so häufig durch Suizid sterben als Frauen. Die hohe Suizidalität hängt oft mit dem männlichen Stereotyp und den gesellschaftlichen Erwartungen zusammen.
Der Wunsch nach einem stabilen Leben
Die Videos der Tradwives haben auf den sozialen Medien hunderttausende Aufrufe. In der Kommentarspalte ist bemerkbar, dass der Lebensstil auf Fassungslosigkeit, aber auch auf viel Bewunderung stößt. Warum kommt diese Trendbewegung gerade bei jungen Frauen so gut an? Gerade jetzt, wo Feminismus gesellschaftlich eine große Rolle spielt, sehnen sich junge Frauen anscheinend wieder nach einem traditionellen Leben. Die Verantwortung sehen Schrammel und Götz im strukturellen System. Die unbezahlte Care-Arbeit und die damit einhergehende Belastung sei einer der Gründe, warum sich junge Frauen ein Hausfrauenleben zurückwünschen.
Eine Studie der Statistik Austria zeigt, wie ungleich die Care-Arbeit zwischen Frauen und Männer verteilt ist. Bei gleichem Erwerbsausmaß übernimmt die Frau im Schnitt trotzdem rund 64 Prozent der Hausarbeit. Das sind wöchentlich zehn Stunden mehr Care-Arbeit, die eine Frau im Vergleich zum Mann leistet.
Ein weiterer Grund seien die multiplen Krisen dieser Zeit und die dadurch ausgelöste Überforderung der jungen Generationen. Die „Klimakrise, ökonomische Krise, Kriege – das sind eben alles Momente, die für Jugendliche große Ängste hervorrufen. Und da bauen viele Jugendliche auf ein vermeintlich bewährtes Familienmodell. Dieses traditionelle Familienbild scheint ein Ort der Sicherheit, ein Ort der Stabilität zu sein“, stellt Götz fest. Junge Frauen würden dann einen Ausweg aus dieser instabilen Zeit suchen, indem sie in traditionelle Muster verfallen und diese Ängste an eine vermeintlich stärkere männliche Figur auslagern.
Bewusstsein schaffen für Geschlechterstereotype
Um nicht selbst in eine ungesunde Abhängigkeit vom Mann zu geraten, sei es laut Schrammel wichtig, zuerst ein Bewusstsein für Geschlechterstereotype zu schaffen. Man solle hinterfragen, was die Gesellschaft von einem erwartet und was man selbst möchte. Außerdem sei es wichtig, jungen Frauen bewusst zu machen, dass finanzielle Unabhängigkeit auch eine große Freiheit im Leben bedeute. Das könne beispielsweise in Form von Workshops an Schulen geschehen: “Um Gleichstellung in einer Partnerschaft zu erreichen, müssen wir auch darüber reden, wie Care-Arbeit verteilt wird und dass das nicht automatisch Frauensache ist”, so Schrammel. Falls eine Frau sich trotzdem für eine Partnerschaft entscheiden wolle, die nach traditionellem Vorbild lebt, dann sei es wichtig, im Falle einer Scheidung abgesichert zu sein, betont Schrammel. Dazu zähle eine faire Aufteilung des Familienvermögens und eine finanzielle Entschädigung für den Karriereverlust, den die Frau zumindest im späten Alter nicht mehr aufholen könne.