"Was willst du einmal werden?", fragte unschuldig ein Mädchen, als sie vor ein paar Jahren auf Mallorca mit Spaniens Thronerbin, Prinzessin Leonor zusammentraf. Leonor, die mit ihren Eltern ein Bildungszentrum besuchte, kam nicht zu einer Antwort. Ihre Mutter Letizia, die neben ihr stand, war schneller: "Es geht nicht darum, was sie werden will, sondern was sie werden muss."
Vorbestimmter Lebensweg
Die Anekdote illustriert, dass Leonor, älteste Tochter von Spaniens königlichem Staatsoberhaupt Felipe VI. und seiner Königsgemahlin Letizia, sich ihre Zukunft schwerlich aussuchen kann. Die heute 17-Jährige wird von klein auf darauf vorbereitet, von ihrem Vater die Krone zu erben und Spaniens Königin zu werden. Für Spaniens Bevölkerung ist Leonor eine große Unbekannte. Ihr Teenagerleben wird wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Das Königshaus wacht streng darüber, dass nur offizielle Fotos von der Kronprinzessin veröffentlicht werden. Paparazzi machen immer wieder unsanfte Bekanntschaft mit den Leibwächtern, die Leonor bei privaten Ausflügen abschirmen.
Immerhin weiß man, dass Leonor seit 2021 auf dem Eliteinternat Atlantic College in Wales büffelt, das wegen seines historischen Flairs gerne mit der Hogwarts-Schule aus der Harry-Potter-Welt verglichen wird. Im Mai steht die Abi-Prüfung an. Leonors zwei Schuljahre auf der Nobelschule, die bereits von zahlreichen adeligen Nachkommen besucht wurde, kosten nach offiziellen Angaben 76.500 Euro.
Militärische Ausbildung der Prinzessin
Gerade erlaubte der Palast erneut einen Einblick in das Leben der Thronerbin: Das Königshaus kündigte an, dass Leonor im Spätsommer, also noch als 17-Jährige, eine dreijährige Offiziersausbildung auf einer spanischen Militärakademie starten werde – wie es ihr Vater, der 55 Jahre alte König Felipe, gemacht hatte. Ziel des militärischen Studiums: Die Königstochter, die am 31. Oktober 18 wird, auf ihre Rolle als Armee-Befehlshaberin vorzubereiten, die ihr als Königin zufallen wird. "König Felipe findet die militärische Ausbildung der Prinzessin sehr nützlich", teilte der Palast mit. Dies erleichtere die "Pflichterfüllung und Hingabe" der künftigen Repräsentantin der Krone.
"Für eine Oberkommandierende ist es unverzichtbar, eine militärische Ausbildung zu haben", pflichtet Spaniens Verteidigungsministerin Margarita Robles bei. Zudem sei dies ein wichtiges Zeichen, um die Rolle der Frauen in der Armee zu stärken. Momentan liegt der Frauenanteil in den spanischen Streitkräften, die wie die Armeen vieler Länder an Nachwuchsmangel leiden, bei 13 Prozent.
Was Leonor zu dieser neuen Ausbildungsetappe sagt, ist aus ihrem Mund nicht bekannt. Aber der Palast versichert in einem Kommuniqué, dass Leonor "Wille, Interesse und Freude" darüber gezeigt habe, für drei Jahre ihren bisherigen Teenager-Alltag gegen das Kasernenleben eintauschen zu dürfen. Wirklich?
"Ihr Leben ist ein Privileg und zugleich eine Strafe", kommentierte die Zeitung "El País". Aber das Königshaus beruhigt und lässt durchblicken, dass Leonors Ausbildung nicht daraus bestehen wird, drei Jahre durch den Schlamm zu kriechen, Gewaltmärsche zu machen und Schießen zu üben. Es werde ein spezielles Programm erstellt, "das den Anforderungen für die Kronerbin gerecht wird", heißt es.
Bei einer ihrer wenigen öffentlichen Reden, anlässlich der Preisverleihung an junge Wissenschaftler, plauderte die Prinzessin im vergangenen Jahr darüber, welche Werte ihr wichtig sind: "Fleiß, Engagement und Solidarität." Und bei einer anderen Gelegenheit sagte sie: Der Einsatz und das Handeln der jungen Generation sei mitentscheidend für eine hoffnungsvolle Zukunft. Letzteres gilt zweifellos auch für Leonors eigene Zukunft. Denn diese ist alles andere als problemlos. Seit Leonors Großvater, Altkönig Juan Carlos, mit einer Serie von Skandalen den Ruf des Königshauses ruinierte, kann sich die Monarchie einer breiten Unterstützung nicht mehr sicher sein. Sogar bei Leonors Auftritten in der Öffentlichkeit sind inzwischen nicht nur Applaus, sondern zugleich Pfiffe zu hören.
Sinkende Werte für Monarchie
Wegen dieses Gegenwindes veröffentlicht das staatliche Meinungsforschungsinstitut CIS seit Jahren keine Umfragen mehr zum Ansehen des Königshauses. Medienstudien signalisieren, dass die Mehrheit für die Monarchie auf der Kippe steht. Und dass immer mehr junge Menschen eine Volksabstimmung über die Monarchie fordern. "Ich habe nichts gegen Leonor", sagt zum Beispiel Carmen, eine 28 Jahre alte Spanierin aus Madrid im Kreis ihrer gleichaltrigen Freunde. "Aber ich brauche keine Königin. Das Geld sollte für anderes ausgegeben werden." Die übrigen jungen Leute in der Runde nicken einhellig.
König Felipe und Leonor werden noch Überzeugungsarbeit leisten müssen, um Spaniens junge Generation zurückzugewinnen."El País" kommentiert diese tickende gesellschaftliche Zeitbombe so: "Leonor hat ihr Amt so lange sicher, wie die Spanier nichts anderes entscheiden."
Ralph Schulze (Madrid)