Wenn Hotelchefin Innegrit Volkhardt in Großbritannien unterwegs ist, um Werbung zu machen für ihren Bayerischen Hof, dann wird sie oft auf eine legendäre Nacht vor 20 Jahren angesprochen: Denn damals, am 1. Dezember 2002, wurde in ihrem Münchner Nobelhotel Musikgeschichte geschrieben – "weil das ja mehr oder weniger das Ende von Oasis war".
"Die haben sich aufgeführt wie Schwein", zitierte der "Spiegel" damals einen Polizeisprecher. "Englische Rockband Oasis nach Schlägerei in München festgenommen", hieß es ein wenig nüchterner im offiziellen Polizeibericht.
"Wildes Aufeinander"
Nüchtern war aber wohl bei diesem Ereignis wirklich nur der Bericht der Polizei. "Das war schon ein wildes Aufeinander zwischen Oasis und der anderen Gruppe", sagt Volkhardt rückblickend im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Sie war damals im Urlaub, wie sie sagt. Aber danach habe sie sich die Videos der Überwachungskamera angeschaut. "Man hat da auf der Kamera nur einen großen Haufen gesehen." Wie die Polizei berichtete, war sogar ein über fünf Kilo schwerer Absperrpfosten des Hotels im Spiel.
Um kurz nach zwei Uhr in der Früh ging die Auseinandersetzung im Nachtklub des Hotels los, wie es im Polizeibericht heißt: "Im Verlauf dieses Streits wurde einer der Musiker geschubst und stürzte auf den Tisch anderer Gäste." Als die nun versuchten, "den ungebetenen Gast wieder loszuwerden", seien plötzlich alle Bandmitglieder auf die Gruppe losgegangen.
Polizist "von Liam G." getreten
Nur kurz gelang es Sicherheitsleuten und Hotelangestellten, zu schlichten – dann ging es vor dem Eingang des Nachtklubs weiter. Und die Mitarbeiter riefen die Polizei. "Einer der eingesetzten Beamten wurde von Liam G., dem Frontman der Band, mit voller Wucht gegen die Brust getreten und hierbei leicht verletzt", steht im Polizeibericht.
Dieser "Liam G." wurde daraufhin gemeinsam mit zwei weiteren Bandmitgliedern – darunter allerdings nicht sein Bruder Noel G. – festgenommen und musste eine Nacht im Gefängnis verbringen. Dass es sich bei "Liam G." um Liam Gallagher handelte, war – vor allem angesichts der Tatsache, dass die Polizei sofort den Bandnamen veröffentlichte – schon kurz nach dem Vorfall kein Geheimnis mehr.
Zwei Schneidezähne weniger
Heute will Gallagher nicht mehr über jenen Abend reden, wie eine Sprecherin seiner Plattenfirma auf Anfrage sagt. Was er von dem Abend und dem Einsatz der Münchner Polizei hielt, hat er allerdings vorher schon kundgetan – und den Beamten unter anderem vorgeworfen, sie hätten zwei seiner Schneidezähne auf dem Gewissen.
Zu dem Prozess um jenen legendären Party-Abend später am Amtsgericht erschien die Band nicht. Die Musiker waren nach Zahlung von rund 240.000 Euro Kaution nach Hause geschickt worden. Das Verfahren gegen Gallagher wegen Körperverletzung und Widerstands bei der Festnahme wurde später gegen eine Geldauflage von 50.000 Euro eingestellt.
Die Deutschland-Tournee aber, auf der die Band sich damals befand, wurde abgebrochen. Das Konzert falle aus, war damals auf einem Zettel an der Münchner Konzerthalle zu lesen. Die Band sei "Opfer einer unverschuldeten Attacke" geworden. Rund eine Woche später meldete die "News of the World": Liam Gallagher hat neue Zähne. 20.000 Pfund sollen die ihn damals gekostet haben.
Der Anfang vom Ende?
"Dass die Schlägerei im Bayerischen Hof den Anfang vom Ende markiert, halte ich für eine steile These", sagt der Musikjournalist Ernst Hofacker, der sich auskennt mit britischer Musik und kürzlich zwei Bücher über "Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten" über die Beatles und die Rolling Stones veröffentlicht hat. "Solche Dinge konnten bei so temperamentvollen Musikern wie denen von Oasis jederzeit passieren, und letztlich waren andere Faktoren für das Auseinanderbrechen der Band stärker verantwortlich. Die ganz großen Hits vom Format wie "Wonderwall" bleiben aus, der Britpop-Hype war lange vorbei, und die Streitereien zwischen Noel und Liam wurden nicht weniger."
Trotzdem wurde der Abend im Bayerischen Hof zu einer Zäsur für die vielleicht berühmteste britische Band seit den Beatles: "Nach diesem Zwischenfall war erst mal Sendepause und es dauerte drei Jahre, bis mit "Don"t Believe The Truth" das nächste und insgesamt sechste Oasis-Album erschien", sagt Hofacker. "Obwohl dieses und auch das letzte, 2008 erschienene Album "Dig Out Your Soul" durchaus erfolgreich waren, kann man sagen, dass Oasis' Zeit auch in der Wahrnehmung des Publikums im Grunde abgelaufen war."
Seit 2009 warten Fans inzwischen schon darauf, dass Liam und Noel sich vielleicht doch noch einmal zusammenraufen und die großen Oasis-Zeiten wieder aufleben lassen. Eine Übernachtungsmöglichkeit in München hätten sie auf jeden Fall: "Die waren nicht allein schuldig", sagt Hotelchefin Volkhardt. "Wir würden sie natürlich wieder nehmen."