Wenn es um Erinnerungen geht, ist die deutsche Sängerin Mary Roos ein wenig zwiespältig unterwegs. "Wenn man älter wird, sind Erinnerungen so wichtig. Dabei erinnert man sich oft ja eher an die schönen Sachen als an die schlechten, gerade im Privaten", sagt Schlagerlegende Mary Roos der Deutschen Presse-Agentur, während sie es sich in einem Sessel des Hamburger Rowohlt-Verlages gemütlich macht. Dort erschien heute auch ihr Erinnerungsband "Aufrecht geh'n".

Ihr Buch trägt den Untertitel "Mein liederliches Leben". Eine nachdenklich launige Reise auch durch die Unterhaltungsgeschichte mit vielen prominenten Namen. Und natürlich mit Reminiszenzen an ihre selbstironischen, 2019 begonnenen Tourneen zum Thema "Nutten, Koks und frische Erdbeeren" mit dem Kabarettisten Wolfgang Trepper.

"Wer mich kennt, weiß, dass ich 100-prozentig ein Bauchmensch bin." So habe sich ihre vielseitige Laufbahn – die 73-Jährige sang auch Chansons, Kinderlieder und Coverversionen internationaler Popsongs – wie zufällig und eher organisch entwickelt. Meist ohne Manager – "Ich war immer selbstbestimmt!". Aus Gesangseinlagen des kleinen Mädchens im elterlichen Hotel zum Tanztee entwickelte sich mit neun Jahren die erste Platte "Ja, die Dicken sind ja so gemütlich". Der Rest ist Showhistorie und für sie kaum eine große Sache: "Das war für mich alles so selbstverständlich." Zu ihrer Mentorin entwickelte sich dabei der internationale Star Caterina Valente (91, "Ganz Paris träumt von der Liebe").

"Ich habe auch nie gefragt, wie viel Gage kriege ich. Wenn ich etwas gerne getan habe, dann habe ich es auch ohne Gage gemacht. Für mich hat das zum Job dazu gehört. Genau wie zu tanzen, Sketche aufzuführen, Theater zu spielen und Filme zu drehen. Immer neue Sachen zu tun", sagt Roos, die nie eine Gesangsstunde hatte. "Damals konnte man 'Learning by Doing' machen. Die Künstler bekamen Zeit, ihren Stil zu entwickeln. Mein erster Produzent hat mich im Chor singen lassen – die dritte, vierte Stimme. Bevor ich überhaupt im Beruf Fuß fassen konnte, hatte ich also schon etwas gelernt. Ich habe auch auf Demos gesungen für Stars wie Margot Eskens." Ihren Durchbruch hatte Roos dank markant warmer Stimme mit "Arizona Man". 1972 errang sie mit "Nur die Liebe lässt uns leben" den dritten Platz beim damaligen Grand Prix d'Eurovision.

Ihren Abschied von der Showbühne meint die große Schwester von Sängerin Tina York (RTL-"Ich bin ein Star – holt mich hier raus!") ernst: "Es wird trotz lukrativer Angebote keine Musiksendung von mir geben, keine neuen Platten." Erst einmal hat sie ihr Haus renovieren lassen – und dabei selbst Hand angelegt. Heute liest die Künstlerin viel, bewirtet Gäste, plant lange Museumsbesuche. Manchmal nur bereue sie es, ihre Karriere in Frankreich nicht weiter verfolgt zu haben, "aber ich wusste auch, dass ich meine Familie und meine Freunde brauche. Und meine
Sprache."