Plaudert man mit Bernhard Paul, kommt man schnell an einen bestimmten Punkt: "Mein Lebenswerk ist Zirkus." Der Roncalli-Gründer hat sein ganzes Leben diesem Herzensprojekt untergeordnet. Dabei war es ursprünglich eigentlich der Antrieb, Clown zu werden, der ihn zunächst in die Manege und schließlich in deren Management geführt hat. Am morgigen Freitag (20. Mai) wird der umtriebige Künstler und Zirkusdirektor 75 Jahre alt.

Geboren wurde Paul am 20. Mai 1947 in Lilienfeld in Niederösterreich, aufgewachsen ist er in Wilhelmsburg. Schon als kleiner Bub hat ihn der Zirkus fasziniert, allen voran die Clowns. Ein vorgezeichneter Karriereweg also? Nicht ganz. "Als Bub aus Wilhelmsburg mit roten Haaren, Sommersprossen und Brille kannst du nicht in einen Zirkus gehen und sagen: Guten Tag, ich möchte Clown werden. So laut haben die noch nie gelacht", erzählte Paul der APA im Vorjahr in einem Interview. Die Lösung für das Problem? Selbst einen Zirkus gründen.

André Heller und der Clown Zippo

Das hat er mit dem Circus Roncalli 1976 schließlich auch gemacht, ursprünglich gemeinsam mit André Heller. Der gemeinsame Weg war aber nicht von langer Dauer, war sich das Duo doch in einigen künstlerischen Fragen nicht einig, weshalb es für Paul alleine weiter ging - natürlich mit seinem Team. Die Anfangsjahre waren nicht leicht, wie auch die im Vorjahr erschienene Kinodokumentation "Ein Clown, ein Leben" von Harald Aue nachzeichnete. Doch Hartnäckigkeit und ein unbändiger Gestaltungswille brachten Paul, der als Clown Zippo regelmäßig selbst für Lacher sorgte, schließlich den Erfolg - und was für einen.

Roncalli ist heute eine weltbekannte Marke. "Wir waren die ersten, die plastikfrei und tierfrei waren. Die Tiere habe ich ersetzt durch Holografie. Das ist weltweit durch die Nachrichten gegangen", zeigte sich Paul stolz. "Guy Laliberté, der Gründer und Direktor des Cirque du Soleil, hat in einem Interview gesagt: Ohne Roncalli würde es Cirque du Soleil nicht geben. Wir waren die ersten, die einen anderen Zirkus gemacht haben."

Seifenblasen und Salto mortale

Der Versuch, eine Alternative zu althergebrachten Traditionen zu bringen, hat jedenfalls Eindruck hinterlassen. "Die Russen haben eigene Programme gemacht, die eine Hommage an Roncalli waren", so Paul. "Wir haben in Moskau gastiert, da hatten alle den Mund offen. Die haben damals noch den vierfachen Salto mortale aus der Kuppel mit Todesgefahr und manchmal auch Tod gemacht. Und wir haben gemacht: Seifenblasen! Ich habe schon immer ganz anders gedacht und gefühlt."

Das Ende der Fahnenstange ist für Paul ob der Erfolge allerdings noch lange nicht erreicht. "Es ist wie das Weltall - ohne Ende, ohne Grenzen", beschrieb er sein Streben nach immer neuen Ideen und Ausdrucksmöglichkeiten. "Fantasie und Kreativität ist grenzenlos. Man darf nie aufgeben, sich hinsetzen und beweihräuchern lassen. Nein, es ist immer der Anfang. Wie der Kölner Dom, der ist auch nie fertig."

Für ihn sei stets wichtig gewesen, seinem Gespür zu folgen und keine Kompromisse einzugehen. "Ich bin ja über 45 Jahre offen durch die Welt gegangen und habe alles aufgesaugt, was gekommen ist. Natürlich habe ich aber dabei im Hinterkopf sortiert: Was will ich, was will ich nicht." Ein Sponsoringangebot von McDonald's in seiner Anfangszeit etwa habe er abgelehnt. "Die wollten das M auf dem Zelt haben." Dabei sei es damals finanziell sehr eng gewesen, "wir haben den Kitt von den Fenstern gefressen", fand Paul drastische Worte. Aber: "Ablehnen ist ganz wichtig."

Hart getroffen wurde Roncalli natürlich von der Coronapandemie, zwei Tourneen mussten abgesagt werden. Seit einigen Woche heißt es aber wieder "Manege frei". Nach Gastspielen in Recklinghausen, Köln, Düsseldorf und Ludwigsburg kommt die Artistenfamilie im Herbst dann auch wieder nach Wien (14. September bis 9. Oktober). Das neue Programm hat Paul als "meine ganz persönliche Hommage an die Kunst und ihre großen Maler, Musiker und Filmschaffenden" angekündigt. Der Zauber geht also weiter.