Rocksänger Campino (59, "Tage wie diese") hat angesichts des Ukraine-Kriegs derzeit ein Gefühl, "als ob die Welt über uns zusammenstürzt" - und stellt daher alte Grundsätze auf den Prüfstand. Etwa die Frage nach dem Dienst an der Waffe: "Ich persönlich habe den Kriegsdienst 1983 verweigert. Das würde ich heute, unter diesen Umständen, wenn ich jetzt meine Einberufung bekäme, wahrscheinlich nicht mehr tun", sagte der Frontmann der Band Die Toten Hosen im Interview mit der dpa.
"Gerade lernen wir doch eindrücklich, warum eine Identität als Europäer so wichtig ist und warum wir eine Wertegemeinschaft sein müssen", sagte der Musiker mit dem bürgerlichen Namen Andreas Frege, der sich politisch links und als Wähler bei den Grünen verortet. "Das hat dann leider auch etwas mit Aufrüstung zu tun. Wir können es uns nicht leisten, völlig wehrlos gegenüber Despoten zu sein, wie Putin einer ist, der alte Machtfantasien auslebt. So einen Mann kann man nur stoppen, wenn er auch Respekt vor der Gegenseite hat."
Dramatische Tragödie
Zugleich sei dies "eine dramatische Tragödie, denn alle diese Gelder, die wir in Zukunft für Rüstung ausgeben werden, könnten wir verdammt nochmal für unser Sozialsystem, Kitas, Schulen, öffentliche Infrastruktur und nicht zuletzt den Kampf gegen den Klimawandel gebrauchen". Der Sänger gab zu, wegen der Weltlage ratlos zu sein, betonte aber auch: "Wir alle dürfen uns Verunsicherung erlauben. Selbst die gescheitesten Leute können uns derzeit kein Rezept geben, wie es weitergeht."
Sein Auftrag als Musiker sei klar: "Trotz der gesellschaftlich angespannten Lage ist es aber wichtig, dass wir Menschen uns selbst auch eine mentale Gesundheit erhalten, Glücksmomente finden", sagte Campino, dessen Punkrockgruppe - eine der erfolgreichsten in Deutschland - ihr 40-jähriges Bestehen ab Ende Mai mit neuer Platte und Tournee feiert. "Und ich hoffe, dass wir als Band einen Beitrag dazu liefern können, mit unserer Musik solche Momente zu schaffen."