Auf Promobildern für sein neues Album "So Happy It Hurts" sieht Bryan Adams vor allem aus wie - ein typischer Rockstar. In der rechten Hand die Gitarre, am Hals gepackt wie ein erlegtes Tier, mit einer triumphalen Geste gen Himmel gereckt. Die offene Lederjacke trägt er über einem schwarzen Shirt. Es ist der Bryan Adams, den man seit Jahrzehnten kennt. Der lässige Feelgood-Rocker, der nicht versucht, mehr zu sein als der Typ mit der Gitarre.
Dabei ist Adams auch der Typ mit den Hits. Der Kanadier mit der Raufaser-Stimme und den eingängigen Softrock-Songs ist längst fest etabliert in der Mainstreamwelt des Rock'n'Roll. Der 62-Jährige hatte Nummer-1-Hits in über 40 Ländern, gewann Grammys, wurde dreimal für den Oscar nominiert und fünfmal für einen Golden Globe. Seit ersten Veröffentlichungen vor vier Jahrzehnten haben seine Songs einen festen Platz im Radio: "All For Love", "Here I Am", "(Everything I Do) I Do It For You", "Run To You".
Nicht zuletzt stellt sich in der vagen Erinnerung an heitere Bierzelterlebnisse die Frage: Gab es eigentlich eine Zeit vor dem "Summer of '69"? Bryan Adams findet es witzig, dass im Prinzip jeder Festzeltbesucher einmal zu seinem größten Hit auf dem Tisch getanzt hat. "Ich habe das schon oft erlebt", sagt Adams im Interview der Deutschen Presse-Agentur in New York. Vor allem auf dem Oktoberfest sei es ja "ganz normal", zu diesem Lied auf dem Tisch zu tanzen.
Bei solchen Worten fällt einem wieder ein, was man so an ihm schätzt: Adams ist herrlich bodenständig - und bescheiden. Als wäre irgendetwas "normal" daran, dieses eine Lied hervorgebracht zu haben, das feiernde Menschen weltweit miteinander verbindet. Ein Song, dessen Intro überall gespielt werden kann, und sofort geht eine Welle der Nostalgie durch die Menge: "It was the summer of '69"...
Obwohl Adams die Zimmer seiner Anwesen mit Auszeichnungen tapeziert haben dürfte, ist er im (rein zufällig gewählten) Vergleich etwa mit Aerosmith-Frontmann Steven Tyler oder Rüschen-Rocker Rod Stewart jemand, bei dem man sich vorstellen kann, dass er noch regelmäßig den Müll rausbringt. Wahrscheinlich muss er nicht einmal darum gebeten werden. Abstürze, Drogenexzesse, das Klischeeleben eines Rock'n'Roll-Musikers? Nicht wirklich. Adams arbeitet hart, und das nicht nur in der Musikszene - er ist seit Jahren ein sehr erfolgreicher Fotograf. Man nimmt ihm ab, dass er seinen Job liebt.
Er sei glücklich, wann immer er Musik mache, sagt Adams im dpa-Gespräch. "So Happy It Hurts" habe ihm die Möglichkeit gegeben, die Ideen, die er auf Quittungen in seiner Manteltasche gekritzelt hatte, "endlich auf richtiges Papier zu bringen". In bekannter Feelgood-Rock-Manier präsentiert der Kanadier zwölf neue Songs, die - wenig überraschend - für wenig Überraschung sorgen. Da klingt ein Refrain dann eben mal so, als hätte man ihn bereits gehört.
Doch genau damit liefert Adams, der jeden Titel als Co-Autor mitgeschrieben hat, die Kontinuität, nach der sich viele Menschen sehnen dürften. Der 62-Jährige strahlt eine Verlässlichkeit aus, die ihn womöglich so beliebt macht: ein stabiler Typ, dem der Familienvater seinen Golf zum Einparken anvertrauen würde.
Seine Texte sind nicht Pulitzerpreis-verdächtig, aber Bob Dylan gibt es ja auch schon. Adams' Musik will Ablenkung vom Alltag verschaffen. Oder aber vom Wahnsinn. Und er gehört nicht zu denen, die an ihrer Musik leiden müssen, um etwas von Bedeutung zu erschaffen. Der Erfolg gibt ihm ohnehin Recht.
In den Titel des Albums sollte nicht zu viel hineingelesen werden, so Adams. Es gehe schlicht um die Rückkehr zu etwas Spontaneität, um Freiheit und um "all die Dinge, die wir während des Lockdowns und der Pandemie nicht tun konnten". Auch Adams selbst rettete sich mit Musik durch die Pandemie: "Bob Marley ist das beste Gegenmittel gegen den Blues", sagt er. Da Adams das Album während der Pandemie geschrieben und aufgenommen hat, klingen Lockdown-Themen trotzdem durch. "I'm so glad it's outrageous, you know, I think it's contagious", singt er da ziemlich unzweideutig über ansteckende Glückseligkeit.
Die Hymne des Albums ist die Single-Auskopplung "Never Gonna Rain Again". Bassline, Gospelchor und eine abwartende Hi-Hat erklingen so selbstbewusst, dass nach spätestens 45 Sekunden mindestens eines von drei Dingen passieren wird: 1. Der Kopf nickt im Takt. 2. Die Finger schnippen. 3. Es wird mitgesungen. In dem Song gehe es darum, im Moment zu leben - anstatt in permanenter Angst, kommentiert Adams. Und so hallt wieder der Klang einer ausgelassenen Nacht durch die verregneten Straßen - sei es nun im Summer of '69 oder im Pandemie-Frühjahr '22. Am 1. und 3. Dezember kann dann in der Olympiahalle Innsbruck und der Wiener Stadthalle mitgesungen werden.