Raus aus den Kleidern und rein ins kühle Nass – und zwar so hurtig als möglich. Das ist ungefähr das genaue Gegenteil davon, wie man sich zu Beginn der Bademodenhistorie dem Wasser näherte. Und viel mehr war das auch nicht, so Modehistorikerin Regina Karner: „Mit den ersten Badeanzügen konnte man nicht wirklich baden gehen, eher nur planschen.“ Wir schreiben das Jahr 1833, aus diesem Jahr stammt eine Illustration von Franz Wolf, die Bademode abbildet: Lange Hosen, Blusen, wenig Haut. Das sollte sich auch in den darauffolgenden Jahrzehnten nicht ändern, auch wenn das Interesse an der Bademode mit der aufkommenden Sommerfrische stieg, die Hüllen hat man trotzdem nicht fallen lassen – im Gegenteil: Wer sich ins Wasser begeben wollte, der trug neben den Ganzkörperanzügen noch schwarze Strümpfe, ein Bademieder, Badehauben und Badeschuhe. Nackte Haut, die musste man hier suchen.

Bademode anno dazumal: Damen wie Herren trugen körperverhüllende Badekleidung
Bademode anno dazumal: Damen wie Herren trugen körperverhüllende Badekleidung © Getty Images

Höchst originell gestaltete sich bisweilen auch der Weg ins Wasser, so Regina Karner: „Bei den Seebädern an der Ost- und Nordsee sowie in Frankreich gab es eigene Badewägen, die mit Planen überspannt waren. Dort sind die Damen eingestiegen und wurden von Männern ins Wasser gezogen. Dort stieg man aus, planschte ein wenig, stieg wieder ein und zog sich dort auch um.“ Nicht nur die Damen, auch die Herren gaben sich mit zumindest Kniebundhosen züchtig. Ein Meilenstein in der Bademode waren die Schwimmtrikots Anfang des 20. Jahrhunderts, die vor allem von Schwimmerinnen, wie etwa Annette Kellerman, getragen wurden – nicht, ohne für Aufruhr zu sorgen. Die engen Ganzkörperanzüge sorgten bei Sittenwächtern für Hitzewallungen, da sich die Konturen des weiblichen Körpers abzeichneten. Darunter trug man freilich noch ein Fischbeinmieder, auf dass man nicht ganz so bequem schwimmen konnte wie ein Fisch im Wasser. Dennoch war der Bann gebrochen, auch, weil sich das Frauenbild ab der 1920er änderte.

Ahoi Tugendwächter: Esther Williams verkörpert 1952 im Film „Die goldene Nixe“ die Schwimmerin Annette Kellerman
Ahoi Tugendwächter: Esther Williams verkörpert 1952 im Film „Die goldene Nixe“ die Schwimmerin Annette Kellerman © imago/United Archives (imago stock&people)



Doch der wahre Knaller, der kam am 5. Juli 1946: Vier Tage nachdem ein US-Militärflugzeug auf dem Pazifik-Atoll Bikini die erste Atombombe der Nachkriegszeit abgeworfen hat, legt der Maschinenbauer und Modedesigner Louis Reard die nächste Sprengladung nach: Vier Stoffdreiecke und sonst nichts – ob dieser, für damalige Zeit hochexplosiven Mischung, nennt Reard seine Erfindung nicht umsonst „Bikini“. Zur gleichen Zeit erfindet der Modemacher Jacques Heim aus Cannes einen bauchfreien Badezweiteiler, den er Atom nennt. Der Name trägt wohl dazu bei, dass seine Erfindung nicht einschlägt, wie eine Bombe.

Das tut der Bikini übrigens auch nicht, so die Modehistorikerin Karner: „Es folgte ein Sturm der moralischen Entrüstung, auch die Modejournale haben den Bikini abgelehnt.“ Für Damen gilt der Bikini damals als unschicklich. Salonfähig macht ihn übrigens auch Ursula Andress als sie 1962 als Honey Ryder in „James Bond – 007 jagt Dr. No“ mit ihrem selbst entworfenen weißen Bikini aus dem Wasser steigt. „Das hat sicherlich einiges dazu beigetragen, dass sich der Bikini verbreitet hat“, ist sich Karner sicher. Ein Bikini, der sich nicht durchgesetzt hat, wie sie erzählt, ist ein Bikini der Sonnencreme-Firma Piz Buin, der in den 1980er-Jahren aufgrund seiner Stofflichkeit nahtlose Bräune garantierte. Es gab nur ein Problem: Kam man aus dem Wasser, war der Bikini durchsichtig.