Er ist 32 und ein (noch) unbekannter Journalist bei der britischen BBC: 1995 setzt Reporter Martin Bashir aber alles daran, ein Interview mit der berühmtesten Frau der Welt zu bekommen: Prinzessin Diana hatte Bashir einen medialen Triumphzug versprochen, damit aber wohl seinen eigenen geplant. Dunkler Lidschatten und ein gesenkter Kopf: Im geheim geführten Interview am 20. November dreht sich alles um Liebe und Infragestellungen, Hass und Verschwörungen: Drei Jahre nach der Trennung von Prinz Charles stellt Diana in einem noch nie dagewesenen TV-Gespräch in der britischen Geschichte unter anderem dessen Eignung als Thronfolger infrage, bestätigt ihre Affäre mit Rittmeister James Hewitt, spricht über ihre Bulimie und liefert Rivalin Camilla Parker Bowles dem Volk aus: „Wir waren zu dritt in dieser Ehe – es war ein bisschen überfüllt.“ Millionen Briten schauen zu, das Interview geht um die Welt. Als „Königin der Herzen“ will Diana in die Geschichte eingehen. Und das tat sie.
Heute, ein Vierteljahrhundert später, hat Dianas engste Freundin Rosa Monckton (67) öffentlich den Vorwurf erhoben, dass Bashir damals Dokumente gefälscht und andere betrügerische Taktiken angewandt habe, um das Vertrauen der Familie Spencer und der Prinzessin zu gewinnen. Im exklusiven Interview mit der Kleinen Zeitung bezeichnet Monckton Bashirs Vorgehen als hinterlistig und betrügerisch: „Bashir hat Diana mit Wahnvorstellungen gefüttert und mit gezielten Fragen bewusst Ängste in ihr geschürt. Er hat Freunde ausgespielt, um an sie heranzukommen, ihr Vertrauen erschlichen. Diana hat sich stark verändert und plötzlich Verfolgungsängste innerhalb der Familie entwickelt“, erinnert sich Monckton. „Natürlich hätte sie irgendwann ein Interview gegeben, aber nicht eines, zu dem man sie auf diese Weise getrieben hätte. Noch zwei Jahre später, während unseres gemeinsamen Urlaubs in Griechenland, zehn Tage vor ihrem Tod, haben wir darüber gesprochen. Nichts habe sie je so bereut, als dieses TV-Interview gegeben zu haben. Es habe lediglich ihren Söhnen geschadet“, verrät Rosa Monckton.
Ob dies heute, 25 Jahre danach, noch etwas zur Sache tut, fragen sich wohl viele. „Tut es. Denn das Interview hat den Lauf der Geschichte maßgeblich beeinflusst. Folglich hat die Königin damals die Scheidung des Paares beantragt. Diana verlor ihren königlichen Status und damit den nötigen Schutz, der ihr womöglich am 31. August 1997 in Paris hätte das Leben retten können. Als Mitglied des Königshauses wäre sie bestimmt nicht auf dem Rücksitz eines betrunkenen Fahrers gelandet“, erwidert Monckton wütend. Die BBC hat indes angekündigt, eine „umfassende unabhängige Untersuchung“ aufzunehmen.
Ewald Wurzinger