Wer bei Kylie Jenner nach Höhepunkten sucht, der wird schnell fündig: Sie sind ihr ins Gesicht geschrieben und liegen unmittelbar neben ihren Schattenseiten. Wer jetzt glaubt, es handle sich dabei um ein ausgefeiltes Yin-und-Yang-Konzept, der kann sich das abschminken. Denn Kylie Jenner überlässt nichts dem Kosmos und schon gar nichts dem Zufall: Sie glaubt an Make-up, an Schattierungen und Highlights. Das hat sich für sie ausgezahlt.
Ihr Geschäft ist die Schönheit und damit hat sie finanziell einen goldenen Schnitt gemacht: Das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ hat die 21-Jährige zur jüngsten Selfmade-Milliardärin gekürt. Ihr Vermögen, angehäuft durch Kosmetik und Werbeverträge, beläuft sich nach Schätzungen auf rund eine Milliarde Dollar (rund 885 Millionen Euro). Im Familienverbund ist die Kleinste also die Größte.
Die Kardashians, das ist längst ein Markenname, aber schon lange kein Medienphänomen mehr. Mit dem Begriff wollte man eine Insel schaffen, eine Abgrenzung von etwas, das lange Zeit nicht fassbar schien. Vermögen mit Trash-TV? Unedles in Gold verwandeln? Was die Alchemisten nicht geschafft haben, scheint den Kardashians im Blut zu liegen. Seit Oktober 2007 breitet der Clan seinen Familienzwist, eingerahmt in ein typisch amerikanisches Jetset-Leben, im Fernsehen aus: „Keeping Up with the Kardashians“ heißt die Serie. Bereits 15 Staffeln gibt es davon und sie zeigt eines recht deutlich: Die Kardashians sind die großen Fische im unendlich tiefen Becken der Aufmerksamkeitsökonomie.
Apropos Ökonomie: Karl Marx hätte in der Zwischenzeit sowieso längst der Schlag getroffen, denn im Konzept der Kardashians fehlt eine entscheidende Komponente – die Ware. Oder nicht ganz: Sie hat nur ihr Aussehen verändert. Sie trägt ein Gesicht, das Gesicht von Kris, Kim, Kylie, Khloé, Kendall, Kourtney, Caitlin und Rob. Die Mitglieder des Clans haben sich selbst zur Ware gemacht. Für die Wertsteigerung verantwortlich: die sozialen Netzwerke. Der Mehrwert ergibt sich hier fast von alleine: Kylie Jenner hat auf ihrem Instagramaccount @kyliejenner knapp 130 Millionen Follower. Dem Account @kyliecosmetics folgen immerhin 20 Millionen Menschen. Das sind 20 Millionen potenzielle Kunden.
Mögen die Talente des Clans wie bei einem One Trick Pony eher begrenzt sein, aber die Auswirkungen sind enorm. So hat Kim Kardashian, nicht mehr und nicht weniger ein Schönheitsideal, einen Goldstandard kreiert, mit dem ihre kleine Schwester Kylie Geld scheffelt: Kosmetik. Contouring nennt sich das Zauberwort und bedeutet das Modellieren und Verändern der eigenen Gesichtszüge durch Make-up. Kim Kardashian gilt als Meisterin dieser Disziplin.
Ihre kleine Schwester Kylie hat gut aufgepasst und sich dahin gehend selbst optimiert – wie man in der Bildleiste unten gut sehen kann. Doch das alles geht weit über Schminke hinaus. Denn die Kardashian-Frauen haben eine Hürde aus dem Spiel genommen: Ein Schönheitsideal muss nicht mehr zwingend unerreichbar sein.
Schönheitsideale, je nach Zeit und Kultur unterschiedlich, sind ein Wunsch- oft auch Zerrbild der Gesellschaft und in den meisten Fällen utopisch. Schönheit als Ideal, nicht als Normalzustand. Die Kardashians hingegen haben eine schier unüberwindbare Hürde aus dem Spiel genommen: Sie haben ihr eigenes Schönheitsideal kreiert und liefern ihren Fans die Mittel in Form von Kosmetik, um diesem Schönheitsideal sehr, sehr nahezukommen. Eine Form von Nähe erzeugt auch Social Media. Den Kardashians auf Schritt und Tritt folgen? Eine leichte Übung. Unbestritten: Diese Form der Nähe ist auch verkaufsfördernd. Nicht nur für Kosmetik, sondern auch für exzellent dotierte Werbeverträge.
Es ist kein Wunder, dass Kim Kardashian bei ihrer Dankesrede für den Webby Award 2016 ihre fünf erlaubten Worte in folgenden Satz ummünzte: „Nackt-Selfies bis ich sterbe.“ Das ist kein Witz, sondern ein Geschäftsmodell. Die Nährlösung für ihre Strategie der Selbstinszenierung. Eine Kapitalanlage, die für Außenstehende nach einer ziemlich verkehrten Welt ausschaut. Einer Welt, in der Schönheit ihren Preis hat – und eine 21-Jährige damit bereits über eine Milliarde Dollar verdient hat.