Sie war seine "rechte und linke Hand". Dieses Kompliment hat der verstorbene deutsche Modeschöpfer Karl Lagerfeld einmal seiner langjährigen Mitarbeiterin Virginie Viard gemacht. Jetzt tritt die Modedesignerin die Nachfolge von "Kaiser Karl" an.
Die Fußstapfen sind riesig: Viard werde "das Erbe von Gabrielle Chanel und Karl Lagerfeld am Leben erhalten", hieß es in einer Erklärung des französischen Modehauses.
Sie selbst beschrieb sich einmal als "Chanel-Mädchen". Gewiss eine Untertreibung der Frau, die sich wie viele in der Modewelt über ihr Alter ausschweigt, aber anders als die meisten in der Branche das Rampenlicht bisher mied. Die groß gewachsene Frau war die wichtigste Mitarbeiterin Lagerfelds im Hause Chanel.
Viard arbeitete lange Jahre im Schatten des Genies und setzte seine Ideen um. Zu Chanel kam sie bereits 1987 als Praktikantin für Stickerei. Vier Jahre zuvor hatte Karl Lagerfeld bei dem Modehaus das Zepter übernommen. Im Gespräch mit AFP sagte Viard einmal, dass Lagerfeld und sie sich "ergänzten": "Es gelingt mir umzusetzen, was er machen möchte, ich habe verstanden, wohin er Chanel führen will, aber ich kann es nicht genau erklären, so ist es eben!" Lagerfeld habe die Themen der Modenschauen stets lange im Voraus vorgegeben - "sechs Monate oder ein Jahr", erinnerte sie sich.
Gleichzeitig sei Karl Lagerfeld schnell gewesen und habe einen untrüglichen Blick für das Machbare gehabt. "Er beschäftigt sich nicht drei Stunden lang mit einem Kleid, er sieht sofort, ob etwas geht oder nicht." Sie habe ziemlich schnell verstanden, wie Zusammenarbeiten mit ihm funktioniere.
In einem ihrer seltenen Interviews gab Viard 2017 im britischen "Telegraph" einen Einblick in ihr Wirken an der Seite des Modegiganten. "Ich hauche zusammen mit den Ateliers und den Werkstätten den Kollektionen nach seinen Zeichnungen Leben ein. Ich koordiniere die Teams, arbeite mit den Lieferanten zusammen und wähle die Stoffe aus. (...) Ich versuche, ihm zu gefallen, aber mag es auch, ihn zu überraschen."
"Lange Komplizenschaft"
Im selben Jahr sagte sie dem Magazin "Madame Figaro", dass sie "leicht seine Ideen umsetzt". Sie beide verbinde eine "lange Komplizenschaft". Sie sei die Studioleiterin und beaufsichtige sieben Ateliers und acht Kollektionen. "Aber Karl Lagerfeld leitet die Anprobe."
Viard selbst ist dabei eher modische Minimalistin. Oft ist sie in engen schwarzen Hosen zu sehen. Um chic zu sein, reiche ein schwarzes T-Shirt mit einem guten Accessoire, sagt sie. Sie liebe "Mode, die bleibt" - in Anlehnung an den berühmten Spruch von Coco Chanel: "Mode vergeht, aber Stil niemals."
Das Schattendasein wird Viard nun aufgeben müssen. Dem Magazin "Elle" hatte sie einst anvertraut, dass sie es "hasst, im Mittelpunkt zu stehen". Dazu kam es bereits bei der Chanel-Schau im Jänner in Paris. Dort vertrat sie Lagerfeld vor wenigen Wochen, als er aus Erschöpfung erstmals nicht an einem Defilee teilnahm, am Ende der Schau auf dem Laufsteg und nahm den Applaus des Publikums entgegen. Ihrer öffentlichen Feuertaufe als Chanel-Spitze sieht Viard bereits Anfang März entgegen - bei den kommenden Herbst-Winter-Schauen für Pret-a-porter.